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Zoologie

Echte Langeweile gibt es auch bei Tieren

Experiment weist diesen Gefühlszustand erstmals systematisch bei Nerzen nach

Amerikanischer Nerz (Neovison vison) im Käfig. © Rebecca Meagher

Schon lange vermutet man, dass auch Tiere sich langweilen können. Jetzt haben kanadische Forscherinnen dies mit einem Experiment erstmals wissenschaftlich belegt. Sie stellten fest, dass Amerikanische Nerze in leeren Käfigen mehr Futter naschten, auf Ablenkungen stärker reagierten und häufiger untätig wach herumlagen als Artgenossen mit zahlreichen Spielmöglichkeiten. Dieses Verhalten spreche dafür, dass die Tiere wirklich unter Langeweile litten und nicht unter Apathie oder einer Depression. Denn diese beiden Gefühlszustände schwächten das Interesse für Reize eher ab, die Nerze hingegen hätten jede Form der Ablenkung willkommen geheißen – egal ob angenehm oder nicht, berichten die Wissenschaftlerinnen im Fachmagazin „PloS ONE“.

„Natürlich können wir nicht wissen, ob sich gelangweilte Nerze oder andere Tiere tatsächlich genauso fühlen wie wir, wenn wir unter Langweile leiden“, sagt Erstautorin Rebecca Meagher von der University of Guelph. Aber man könne deutlich erkennen, dass die Nerze ähnlich wie wir Menschen reagierten, wenn sie nichts zu tun hatten. „Sie erscheinen lustlos, suchen aber eifrig nach jeder Art von Ablenkung.“

„Gängigen Hypothesen nach leiden vielseitige, anpassungsfähige Arten wie Waschbären oder Wölfe eher unter Langeweile als sehr spezialisierte“, erklären die Wissenschaftlerinnen. Und auch intelligente Tiere wie Menschenaffen oder Delfine seien möglicherweise stärker betroffen. Bisher aber habe es keine Methode gegeben, um dies eindeutig nachzuweisen, denn standardisierte Testverfahren fehlten. „Daher war es bisher auch schwer festzustellen, ob Beschäftigungsmaßnahmen, beispielsweise für Zootiere, auch den gewünschten Effekt haben“, sagt Meagher. Nach Ansicht der Forscherinnen könnte die von ihnen entwickelte Testmethode auch klären helfen, in welchem Maße andere Tiere unter Langweile leiden und welche besonders anfällig dafür sind.

Leerer Käfig statt Wasserplantschen und Spielzeuge

Für ihre Studie hielten die Forscherinnen 29 Amerikanische Nerze sieben Monate lang unter zwei verschiedenen Bedingungen: Eine Hälfte der Tiere verbrachte die Zeit in Käfigen, die bis auf ein Schlafnest leer waren. Die andere Hälfte konnte dagegen jederzeit ein angrenzendes Gehege mit fließendem Wasser, Kletterborden und zahleichen verschiedenen Spielzeugen wechseln. Jeweils einmal im Monat erhielten diese Nerze zudem neue Spielzeuge.

Nach Ablauf der sieben Monate begannen die eigentlichen Tests. Dafür beobachteten die Forscherinnen zunächst das Verhalten der Nerze im Tagesverlauf und notierten dabei, wie häufig die Tiere aktiv, schlafend oder untätig, aber wach waren. Dabei stellten sie fest, dass die Nerze in den leeren Käfigen sehr viel mehr Zeit damit verbrachten, wach, aber untätig im Käfig zu liegen als ihre mit Spielzeug versorgten Artgenossen. In einem Futtertest bekamen alle Tiere dann zusätzlich zu ihrer normalen Nahrung 30 Leckereien – kleine Stückchen Katzenfutter und Geflügelinnereien. „Nach 15 Minuten hatten die Nerze aus den leeren Käfigen signifikant mehr davon gefressen als ihre Artgenossen – ohne dass sie deshalb das normale Futter vernachlässigten“, berichten Meagher und Mason.

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Anschließend testeten die Forscherinnen, wie die Nerze auf verschiedene Reize reagierten. Dazu zeigten sie den Tieren entweder neutrale Objekte wie eine Plastikflasche oder Kerze, abschreckende Dinge wie die Figur eines Feindes oder einen Greifhandschuh, oder aber sie setzen die Nerze einem angenehmen Reiz aus, wie dem Geruch eines Artgenossen. „Die Nerze aus den leeren Käfigen wandten sich allen Reizen schneller zu als die Nerze aus den Spielgehegen, sie blieben auch länger in Kontakt mit dem jeweiligen Objekt“, berichten Meagher und Mason. Das gelte auch für die neutralen und unangenehmen Reize. Diese Reaktion sei typisch für echte Langeweile, bei Apathie oder Depression trete sie nicht auf (doi:10.1371/journal.pone.0049180).

(PloS ONE, 19.11.2012 – NPO)

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