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Schmelzwasserflut löste Kältephase der Eiszeit aus

Süßwasser strömte dabei weiter nördlich ins Meer als bisher angenommen

Diese Grafik zeigt die beiden möglichen Wege des Schmelzwassers (rote Pfeile) vom Laurentide-Eisschild ins arktische Meer; nur der scheinbare Umweg über den Mackenzie River transportierte genügend Süßwasser in den Nordatlantik ("subpolar gyre"), um die Nordatlantikströmung zum Erliegen zu bringen, der Weg über den Sankt-Lorenz-Strom liegt zu weit südlich um die nördlichen Gewässer zu beeinflussen. © Alan Condron, UMass Amherst

Eine gewaltige Schmelzwasserflut legte in der letzten Eiszeit den wärmenden Nordatlantikstrom still – und ließ damit die Nordhalbkugel innerhalb kurzer Zeit wieder vereisen. Entscheidend für diesen dramatischen Klimawechsel vor 12.900 Jahren war jedoch nicht nur, wie viel Schmelzwasser aus der Arktis in den Atlantik strömte, sondern auch wo dies geschah. Das haben US-amerikanische Forscher bei der bisher genauesten Simulation dieser Ereignisse festgestellt. Sie zeigt, dass das Schmelzwasser nicht, wie bisher angenommen, auf Höhe des Sankt-Lorenz-Stroms in den Atlantik floss, sondern viel weiter nordwestlich. Nur dann schwäche der Süßwasser-Zufluss die wärmende Meeresströmung, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

„Die Ursache der damaligen Abkühlung genau zu kennen, ist sehr wichtig, um zu verstehen, wie sich unser Klima in der Zukunft ändern könnte“, sagt Erstautor Alan Condron von der University of Massachusetts in Amherst. Denn auch heute ströme durch die Klimaerwärmung wieder vermehrt Schmelzwasser aus Grönland und der Arktis ins Meer. Um vorhersagen zu können, ob dies den Nordatlantikstrom zukünftig schwächen könne, müsse man wissen, wo dieser Einstrom Folgen für die Meeresströmungen habe und wo nicht.

„Klimamodelle, wie sie der Weltklimarat IPCC nutzt, erfassen dies bisher jedoch nicht“, erklären die Forscher. Die Auflösung dieser Modelle müsse daher soweit verbessert werden, dass sie auch die jeweilige Quelle des Schmelzwassers abbilden. Für ihre Studie hatten die Forscher ein Computermodell eingesetzt, das die Wechselwirkungen von Eis, Schmelzwasser und Meeresströmungen 10 bis 15 Mal hochauflösender abbilden kann als bisherige.

Brechender Eisdamm löste Schmelzwasserflut aus

Vor rund 12.900 Jahren waren die Arktis und Teile des nordamerikanischen Kontinents von dem gewaltigen Laurentide-Eisschild bedeckt. Dieses stammte noch aus der vorhergehenden Kaltzeit, hatte aber schon begonnen abzutauen. Das entstehende Schmelzwasser sammelte sich in mehreren großen Gletscherseen am Südrand des Eisschilds. Als der Eisdamm eines dieser Seen brach, strömten tausende von Kubikkilometern Schmelzwasser in den Atlantik, wie die Forscher berichten. Dieser Süßwasser-Zufluss habe den Salzgehalt des Meerwassers verringert und so verhindert, dass im Nordatlantik salziges und damit dichteres Wasser in die Tiefe sank. Dadurch konnte weniger warmes Wasser aus dem Süden nachströmen und die für das Klima wichtige Zirkulation im Nordatlantik kam schließlich zum Erliegen.

Dem neuen Modell nach könne das Schmelzwasser nicht über den Sankt-Lorenz-Strom in den Atlantik geflossen sein, sagen die Forscher. Denn dieser liege zu weit südlich, das Wasser verteile sich wegen der gegenläufigen Strömung nicht nordwärts im Ozean. In der Simulation wurde die Nordatlantikströmung daher nur um neun Prozent geschwächt. Sei das Schmelzwasser aber rund 4.000 Kilometer weiter nordwestlich über den Mackenzie River in den arktischen Ozean geflossen, habe dies den Nordatlantikstrom um bis zu 77 Prozent reduziert, berichten Condron und sein Kollege Peter Windsor von der University of Alaska in Fairbanks.

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Nach Ansicht der Forscher zeigt dies, dass es einen großen Unterschied bedeutet, wo das Schmelzwasser ins Meer gelangt – sowohl für die Rekonstruktion der Vergangenheit als auch für Vorhersagen der Zukunft (doi:10.1073/pnas.1207381109).

(Proceedings of the National Academy of Sciences, 06.11.2012 – NPO)

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