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Evolution

Forscher enträtseln Familiengeschichte der Vögel

In Afrika und den Tropen entwickelten sich neue Arten langsamer als anderswo

Vögel der Tropen - wie dieser - entwickelten nur langsam neue Arten © Walter Jetz

US-Forscher haben die Familiengeschichte der Vögel rekonstruiert: Sie haben einen Stammbaum aller 9.993 heute lebenden Vogelarten entworfen, in dem nicht nur Zeiträume, sondern auch geografische Daten vermerkt sind. Damit können sie nachvollziehen, wann, wo und wie es zur heutigen Artenvielfalt gekommen ist. Die Ergebnisse halten einige Überraschungen bereit: So leben heute in den Tropen zwar ungewöhnlich viele Vogelarten, die Geschwindigkeit, mit der dort neue Arten entstehen, war in der Vergangenheit jedoch entgegen der bisherigen Annahme vergleichsweise gering. Zudem scheinen sich vorhandene Arten in der westlichen Hemisphäre schneller und stärker in neue Arten aufzufächern als in der östlichen – warum, können die Forscher noch nicht sagen. Die Ergebnisse könnten helfen, die Artenvielfalt bei den Vögeln zu erhalten, schreibt das Team um Walter Jetz von der Yale University in New Haven im Fachmagazin „Nature“.

Evolution verlief weniger systematisch als angenommen

Für ihr ambitioniertes Projekt fassten die Forscher vorhandene Informationen zu den Familienverhältnissen der Vögel zusammen und kombinierten sie mit genetischen, geografischen und zeitlichen Informationen. So entstand ein Stammbaum, der ihren Angaben nach sehr viel vollständiger ist als jeder Entwurf zuvor. Zudem lässt sich aus der Länge der jeweiligen Äste ablesen, wie schnell sich in welcher Abstammungslinie neue Arten entwickelt haben. Die geografischen Daten ermöglichen zudem, anzugeben, wo solche Entwicklungs-Hotspots lokalisiert waren.

Insgesamt habe die Geschwindigkeit, mit der sich neue Vogelarten gebildet haben, während der vergangenen 50 Millionen Jahre immer weiter zugenommen, resümieren die Forscher. Allerdings folgte diese Zunahme entgegen der bisherigen Annahme weder klaren zeitlichen noch klaren geografischen Mustern. Es gab vielmehr immer wieder Stellen oder Zeiträume, in der sehr schnell sehr viele neue Arten erschienen. Einen solchen Effekt findet man beispielsweise auf Inseln, wo aus einer einzigen, relativ unspezialisierten Art rasch viele neue Arten hervorgehen, die deutlich spezialisierter sind. Beispiele sind etwa die Darwinfinken, die sich nach der Ankunft auf den Galapagos-Inseln in insgesamt 14 neue Arten auffächerten, oder die Brillenvögel, die heute einen Großteil des südlichen Asiens und Afrikas bevölkern.

Aufzweigung des Vogelstammbaums; gelb udn orange zeigen Gruppen an, in denen sich besonders schnell neue Arten bildeten. © Jetz et al. / Nature

Rasante Auffächerung in Südamerika

Eine ungewöhnlich schnelle Entwicklung gab es zudem immer da, wo plötzlich neue Verhaltensweisen oder neue körperliche Eigenschaften unter den Vögeln auftauchten. Auch das plötzliche Erscheinen ungewöhnlicher Umweltbedingungen beschleunigte die Artenbildung, etwa bei Kolibris, Papageien und einigen Singvögeln. Auch klimatische Veränderungen förderten die Vielfalt. So gibt es eine ganze Reihe von Abstammungslinien mit einer turbulenten Vergangenheit in den höheren Breiten Nordamerikas, Teilen Nordasiens und dem Südwesten Südamerikas – Gebieten, in denen sich die klimatischen Gegebenheiten immer wieder verschoben hätten, erläutern die Forscher. Ein gutes Beispiel seien hier die Singvögel Südamerikas: Sie konnten in den vergangenen 10 bis 20 Millionen Jahren neue Lebensräume erobern, weil sich dort Gletscher zurückzogen, höhere Temperaturen eine Besiedelung von höhergelegenen Gebieten ermöglichten und sich allgemein die gemäßigten Zonen ausbreiteten.

In Afrika und Madagaskar dagegen verlief die Entwicklung der Vögel extrem langsam. Woran das genau liegt, wissen die Forscher zwar noch nicht. Sie vermuten jedoch, dass die Vögel dort einfach sehr früh alle ökologischen Nischen besetzt hatten und dass es keine Notwendigkeit gab, neue Arten zu bilden. Auch in den Tropen ging die Auffächerung eher langsam vonstatten. Bisher waren Forscher eigentlich davon ausgegangen, dass es dort eher schneller neue Arten gibt als in den gemäßigten Breiten. Jetz und seine Kollegen vermuten jedoch eher, dass die heutige Artenvielfalt der Tropen ihrem hohen Alter geschuldet ist: Tropische Gebiete habe es seit der Entstehung der Vögel praktisch immer gegeben, so dass sich mit der Zeit dort schlicht mehr Arten angesammelt hätten. (Nature, 2012; doi: 10.1038/nature11631).

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(Nature, 01.11.2012 – ILB)

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