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Astronomie

Pulsar erweist sich als zerstörerische Schwarze Witwe

Ungewöhnlicher Neutronenstern verzehrt seinen kleineren Partner

Diese Illustration zeigt den Millisekunden-Pulsar (links) und die von ihm ausgehenden Gammastrahlen (violett) und den von ihm allmählich verdampften Begleitstern. © NASA (pulsar), NASA/ESA, M.J. Jee and H. Ford (Johns Hopkins University) (Hubble Field), AEI/Milde Marketing Science Communication

Astronomen haben im Sternbild Zentaur einen sehr ungewöhnlichen Doppelstern-Pulsar entdeckt: Der rotierende Neutronenstern und sein Partner rasen schneller als jeder andere durch das All. In nur 93 Minuten umrunden sie das Zentrum ihres Sternsystems. Beide Partner seien dabei nur 1,4 Mal weiter voneinander entfernt als die Erde vom Mond, berichten Holger Pletsch vom Max-Planck-Institut (MPI) für Gravitationsphysik in Hannover und seine Kollegen im Fachmagazin „Science“. Bei dem PSR J1311-3430 getauften Pulsar handele es sich zudem um eine sogenannte Schwarze Witwe: Er zehrt seinen Begleitstern im Laufe der Zeit auf – ähnlich wie die Weibchen der Spinnenart Schwarze Witwe, die ihre Männchen bei der Paarung fressen.

Pulsare sind extrem dichte Überreste massereicher Sterne, die sich im Extremfall mehrere hundert Mal in einer Sekunde um die eigene Achse drehen. Dabei senden sie Radiowellen und Gammastrahlen aus, die wie Leuchtfeuer in regelmäßigen Pulsen durch das All streichen. Erstmals habe man nun einen schnell rotierenden Pulsar mit Hilfe der von ihm ausgesendeten Gammastrahlen ausfindig gemacht, sagen die Forscher. PSR J1311-3430 dreht sich 390 Mal pro Sekunde um sich selbst. Bisher seien solche sogenannten Millisekunden-Pulsare nur anhand ihrer Radiosignale zu erkennen gewesen.

Nur ein Lichtteilchen bei jeder millionsten Umdrehung

Entdeckt wurde der Rekord-Pulsar mit Hilfe einer neuen, von den deutschen Astronomen entwickelten Analysemethode. Sie erlaubt es, das schwer zu identifizierende Lichtsignal eines Millisekunden-Pulsars in Beobachtungsdaten von Gammastrahlen-Observatorien ausfindig zu machen. Bei dem neuentdeckten PSR J1311-3430 erreicht nur etwa bei jeder millionsten Umdrehung eines der Gammastrahlen-Lichtteilchen den Detektor.

Die Astromomen hatten Beobachtungsdaten des Fermi-Gammastrahlen-Observatoriums der US-Raumfahrtbehörde NASA mit Hilfe ihrer neuen Auswertungsmethode nach Pulsar-Signalen durchsucht. „Das neue Verfahren versetzt uns erstmals in die Lage, quasi blind nach Gammapulsaren zu suchen“, sagt Pletsch. Er und seine Kollegen vermuten, dass sich auch hinter zahlreichen anderen Gammastrahlen-Quellen im Weltall ähnlich außergewöhnliche Systeme verbergen könnten.

Himmel im Gammastrahlen-Licht. Der Kreis markiert die Position des neu entdeckten Millisekunden-Pulsars © NASA / DOE / Fermi LAT Collaboration / AEI

Kompakter Sternenrest als Begleiter

Die Daten erlaubten auch Rückschlüsse auf die Eigenschaften des kleineren Partners im Pulsar-System. Dieser ist acht Mal so groß wie der Planet Jupiter, aber sehr dicht, wie die Astronomen berichten. Seine Materie sei rund 30 Mal enger gepackt als die der Sonne. Die Forscher vermuten daher, dass der Begleiter der kompakte Überrest eines Sterns ist. Im Laufe seiner Entwicklung verlor er Materie an den Pulsar, beide Partner kamen sich dabei im Laufe der Zeit immer näher.

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Derzeit umrunden die Partner den gemeinsamen Schwerpunkt in nur 93 Minuten auf einer fast perfekt kreisförmigen Bahn. Das sei die kürzeste bekannte Bahnperiode aller Pulsare in Doppelsternsystemen, sagen die Forscher. Der Pulsar rase mit mindestens 13.000 Kilometern pro Stunde auf seiner Kreisbahn durchs All. Sein leichterer Partner bringt es sogar auf bis zu 2,8 Millionen Kilometer in der Stunde. Weil sich beide dabei sehr nahe sind, wird der Begleitstern von der extrem energiereichen Gammastrahlung des rotierenden Neutronensterns bombardiert. „Der Sternkern, der vermutlich vor allem aus Helium besteht, wird von der Strahlung sehr stark erhitzt und buchstäblich verdampft“, sagt Pletsch. In ferner Zukunft werde der Pulsar dadurch den Begleiter vollständig zerstören.

(Science, 26.10.2012 – NPO)

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