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Medizin

Epidemie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in China

Wirtschaftswachstum fördert Gesundheitsprobleme durch ungesunden Lebensstil

Einer von vielen Rauchern in China © babasteve (Steve Evans) / CC BY 2.0

Alle zehn Sekunden stirbt in China ein Mensch an Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wie bei uns sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen dort inzwischen die Todesursache Nummer 1. Das zeigt eine Studie chinesischer Forscher, die sie jetzt beim Internationalen Kongress für Kardiologie in Peking vorstellten. Als Hauptursache sehen die Mediziner den Lebensstil der Chinesen, der sich durch das rasante Wirtschaftswachstum in den letzten 30 Jahren drastisch gewandelt hat. Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck hätten rapide zugenommen, würden aber meist nur unzureichend behandelt.

„Als Folge sterben jedes Jahr drei Millionen Chinesen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung“, sagt Studienleiter Dayi Hu, Leiter des Herzzentrums an der Pekinger Universität. 40 Prozent aller Todesfälle in China gingen inzwischen auf diese Zivilisationskrankheit zurück. China nähere sich damit auch in Bezug auf die Gesundheitsprobleme seiner Bevölkerung den westlichen Industrieländern immer weiter an. „Prävention hatte im chinesischen Gesundheitssystem bisher keine Priorität“, erklärt Hu. In den letzten 20 bis 30 Jahren seien nur die Endstadien von Herz-Kreislauf-Erkrankungen behandelt worden. Es fehle sowohl bei den Ärzten als auch in der breiten Bevölkerung an Aufklärung und Wissen über Risikofaktoren für diese Krankheit.

Steigendes Einkommen und Urbanisierung veränderten Lebensstil

Wie die Forscher berichten, ist das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in China in den letzten gut 30 Jahren um fast das 80-Fache gestiegen, von 381 Yen im Jahr 1978 auf 29.748 Yen im Jahr 2010. Während vor 30 Jahren nur rund 18 Prozent der Bevölkerung in der Stadt lebten, seien es heute gut 50 Prozent. Mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung führten dazu, dass heute bereits Kinder zunehmend übergewichtig seien. Zudem habe die Zahl der Raucher in China drastisch zugenommen, heute seien es bereits 350 Millionen Menschen. Jeder zweite Mann rauche Zigaretten oder andere Tabakerzeugnisse.

An Bluthochdruck und Diabetes – beides Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – leiden inzwischen auch in China immer mehr Menschen. In der Stadtbevölkerung habe Diabetes Typ 2 allein in den letzten fünf Jahren um mehr als 50 Prozent zugenommen, sagt Hu. Inzwischen gebe es 92 Millionen Zuckerkranke im Land. Weil die Behandlung ungenügend sei, würden in China 16 Mal so viele Diabetiker wegen Komplikationen ins Krankenhaus eingeliefert wie beispielsweise in den Niederlanden. „Die Anzahl der Betroffenen ist riesig, aber Maßnahmen finden kaum statt“, sagt Hu.

Auch bei der Behandlung des Bluthochdrucks hinke China hinterher, konstatiert der Mediziner. Von geschätzt 200 Millionen Betroffenen wisse nur ein Drittel überhaupt, dass ihr Blutdruck zu hoch sei, in den USA seien es 80 Prozent. Nur sechs Prozent der Patienten würden adäquat behandelt und erreichten wieder halbwegs normale Werte, bei US-Amerikanern gelinge dies immerhin bei der Hälfte der Betroffenen.

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Als einen der Schlüsselfaktoren sehen die Forscher auch das schlechte Vorbild der chinesischen Ärzte: „Die Hälfte der männlichen Mediziner raucht und viele sind übergewichtig“, erklärt Hu. Selbst Kardiologen, die es besser wissen müssten, hätten oft einen ungesunden Lebensstil. „Meiner Überzeugung nach wird es keine gesunde Bevölkerung geben, solange es keine gesunden Ärzte gibt“, konstatiert Hu.

(European Society of Cardiology (ESC), 12.10.2012 – NPO)

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