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Chemie

Chemie-Nobelpreis für Entdecker der Zell-Rezeptoren

Preisträger haben Form und Funktion der Sinnesorgane der Zelle entschlüsselt

Die Erforschung der Rezeptoren brachte Robert Lefkowitz und Brian Kobilka den Chemie-Nobelpreis. Diese Grafik zeigt den groben Ablauf einer Rezeptor-Reaktion: 1: Ein Hormon dockt am Rezeptor an. 2: Der Rezeptor verändert seine Form, dadurch bindet innen das G-Protein und wird aktiviert. 3: Das aktivierte G-protein zerfällt, ein Teil löst eine Reaktionskette in der Zelle aus. 4: Ein neues G-Protein bindet, ein angelagertes Hormon kann auf diese Weise viele Proteine aktivieren. © Nobel Foundation

Der Nobelpreis für Chemie geht dieses Jahr an zwei US-amerikanische Zellbiologen: Robert J. Lefkowitz und Brian K. Kobilka entdeckten als erste, wie winzige aber lebenswichtige Sensoren auf der Oberfläche unserer Zellen arbeiten. Über sie nimmt die Zelle ihre Umwelt wahr und reagiert auf Veränderungen. Die unter dem sperrigen Begriff „G-Protein gekoppelte Rezeptoren“ zusammengefassten Sensoren dienen als Andockstellen für Hormone und andere Signalstoffe. Sie sind es aber auch, die unsere Sinneszellen sensibel machen für Licht, Gerüche oder Geschmacksstoffe. Und nicht zuletzt wirken auch die meisten unserer Medikamente nur deshalb, weil sie an diesen Sensoren ansetzen.

Wir Menschen nehmen unsere Umwelt über die Sinnesorgane wahr: Nase, Augen und Ohren liefern uns ständig Informationen darüber, was in unserer Umgebung vorgeht. Aber auch jede einzelne Zelle in unserem Körper muss über eine Form von Sinnesorganen verfügen. Denn nur so können beispielsweise die tausenden von Zellen in unserem Herzen miteinander kommunizieren und eine synchrone Bewegung des Pumporgans hervorbringen. Und nur so kann das Herz in Sekundenschnelle koordiniert seinen Takt beschleunigen – beispielsweise wenn wir vor einer Gefahr weglaufen.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts hatten Forscher festgestellt, dass bestimmte Signalstoffe, wie das Hormon Adrenalin, Reaktionen im gesamten Stoffwechsel hervorrufen. In den 1940er Jahren fand ein US-amerikanischer Forscher heraus, dass das Adrenalin offenbar direkt auf Gewebe und Zellen wirkte: Um eine Reaktion auszulösen reichte es, wenn das Hormon außerhalb der Zellen präsent war. Es musste daher einen Mechanismus, vielleicht eine Art Sensor geben, mit dem die Zellen merkten, was außerhalb ihrer Membran geschah – aber wie sah dieser aus?

Schalter in der Zellmembran

Eine Antwort auf diese Frage fand 1968 der junge Mediziner Robert Lefkowitz, der damals an den National Institutes of Health forschte. Er kam auf die Idee, Adrenalin radioaktiv zu markieren, um genau verfolgen zu können, wie dieses mit der Zelle wechselwirkte. Die Experimente enthüllten, dass das Hormon nicht in die Zellen aufgenommen wird, wie zunächst angenommen. Stattdessen lagert es sich nur an eine bestimmte Andockstelle auf der Zellmembran an. Durch diese Bindung verändert sich die Form des Sensormoleküls auf der Innenseite der Membran. Dadurch kann sich nun ein bestimmtes Eiweiß, das sogenannte G-Protein, dort anlagern. Dies wirkt wie ein Schalter und löst eine ganze Kette von biochemischen Reaktionen aus, die letztlich zur typischen Hormonwirkung führt.

Lefkowitz und seine Kollegen fanden zudem heraus, dass die Bindung an eine solche Andockstelle sehr spezifisch ist: Wie ein Schlüssel nur zu einem bestimmten Schloss passt, reagiert auch der Rezeptor nur auf ganz bestimmte Signalstoffe. Deshalb tragen die Zellen des Körpers je nach ihrer Funktion ganz unterschiedliche Andockstellen auf ihrer Oberfläche.

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Diese genaue Struktur des Beta-Adrenalin-Rezeptors entschlüsselte Brian Kobilka erst nach zwei Jahrzehnten Arbeit. © Nobel Foundation

Genetische Bauanleitung gibt Hinweise auf Struktur

In den 1980er Jahren stieß der Mediziner Brian Kobilka zu Lefkowitz und seinem Team. Gemeinsam gelang es den beiden heutigen Nobelpreisträgern, die Gene für einen der Adrenalin-Andockstellen, den sogenannten Beta-Rezeptor zu identifizieren. Damit hatten sie erstmals Einblick in die genetische Bauanleitung dieser so wichtigen Zellsensoren. Aus dieser ergab sich unter anderem, dass der Rezeptor aus sieben langen, spiralig gewundenen Molekülen bestand, die sich durch die Zellmembran hindurchschlängelten.

Wie solche Rezeptoren aber darüber hinaus aufgebaut waren, blieb zunächst unbekannt. Den entscheidenden Durchbruch dazu erzielte Brian Kubilka im Jahr 2011 – nachdem er mehr als zwei Jahrzehnte gemeinsam mit seinem Team von der Stanford University daran gearbeitet hatte. Die Schwierigkeit dabei: Diese Rezeptoren bestehen primär aus Proteinen – einer Molekülsorte, deren Struktur zu komplex ist, um mit dem Mikroskop aufgelöst werden zu können.

Rezeptor beim Schalten eingefangen

Kubilka und sein Team mussten daher die Proteine zunächst in einem aufwändigen Prozess in eine geordnete Form bringen und in einen Kristall umwandeln. In diesem kristallisierten Zustand ließ sich die Anordnung der einzelnen Atome im Molekül mittels Röntgenstrahlen abbilden. Das Ergebnis der Bemühungen war schließlich spektakulär: Die aus den Röntgenbildern rekonstruierte Struktur zeigte den Adrenalin-Rezeptor direkt nach Anlagerung des Hormons – und damit in genau dem Moment, in dem der bioschemische Schalter für die Signalkette umgelegt wurde.

„Lefkowitz und Kobilka haben mit ihren Arbeiten erstmals das inneren Wirken dieser wichtigen Gruppe von Rezeptoren enthüllt“, erklärt die Nobel Foundation in ihrer Preisbegründung. Die Entdeckung und Entschlüsselung dieser Zellsensoren und ihrer Struktur hat aber auch ganz praktisch medizinische Bedeutung: Denn sie macht es möglich, Medikamente zu entwickeln, die nur an bestimmte Rezeptoren binden und so spezifisch nur bestimmte Stoffwechselfunktionen auslösen oder blockieren.

(Nobel Foundation, 10.10.2012 – NPO)

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