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Medizin

Blutvergiftung: Tödlich, aber oft unerkannt

Therapiekonzept und neue Forschungsansätze sollen Chancen für Erkrankte verbessern

Rund 150.000 Patienten in Deutschland sind jährlich betroffen; fast die Hälfte stirbt daran. Hochakut und oft dramatisch, jedoch von der Öffentlichkeit meist unbemerkt, fordert die Sepsis – im Volksmund „Blutvergiftung“ genannt – pro Jahr mehr Opfer als Brustkrebs und Aids zusammen. Jetzt sollen Molekularbiologische Forschungsansätze, sowie ein neues Behandlungskonzept neue Perspektiven für die Bekämpfung der tödlichen Sepsis eröffnen.

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Häufig sind es unspezifische, grippeähnliche Beschwerden wie Fieber und Schüttelfrost, die einer Sepsis vorangehen und die wahre Ursache verschleiern. In vielen Fällen sind allerdings schwere Infektionen bekannt, vor allem eine Lungenentzündung, die sich trotz Antibiotika-Behandlung zur Sepsis entwickelt haben. Dann kommt es zu einer fatalen Kettenreaktion mit hohem Tempo: Entzündungen breiten sich im ganzen Körper aus, der Kreislauf kollabiert und der Organismus gerät in einen Schockzustand, die Blutgerinnung wird überaktiv und die Adern verstopfen. Schließlich versagen Nieren, Lunge und Leber.

Kampf gegen Sepsis: Schnelligkeit entscheidet

„Ohne die konsequente chirurgische Entfernung des Infektionsherdes, aus dem die Erreger ihre gefährlichen Giftstoffe (Toxine) in den Körper senden, ist der Kampf oft von vorneherein verloren“ sagt Dr. Jan Schmidt, erster Oberarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Entscheidend sei zudem, dass die Sepsis frühzeitig erkannt wird. „Der verräterische rote Streifen am Arm ist nur sehr selten ein Warnsignal“, so der Mediziner.

„Nur eine enge Kontrolle und intensivmedizinische Behandlung der lebenswichtigen Funktionen verbunden mit effektiver Antibiotika-Therapie kann dann noch Leben retten,“ erklärt Dr. Weigand. Seine Arbeitsgruppe hat bisherige wissenschaftliche Studien ausgewertet und daraus den „Heidelberg Sepsis Pathway“ entwickelt, eine Therapieempfehlung mit Checklisten, die mit den internationalen Behandlungsleitlinien einhergeht und bereits in zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen Intensivmedizinern vermittelt wurde. Als dritte Säule der optimalen Versorgung spielt neben der chirurgischen und intensivmedizinischen Therapie die infektiologische Betreuung des Sepsispatienten eine mitentscheidende Rolle. Durch die Zusammenarbeit am Krankenbett kann die mikrobiologische Diagnostik zeitnah und krankheitszentriert in eine adäquate Antibiotikatherapie umgesetzt werden, unterstreicht Professor Dr. Heinrich K. Geiss, Leiter der Sektion Infektiologie am Hygiene-Institut der Universität Heidelberg.

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Suche nach wirksamen Medikamenten

Erst in den letzten Jahren sind Medikamente, die in die Sepsisentwicklung selbst eingreifen, erprobt worden. Erfolgreich angewandt wird bislang nur „Xigris“, ein gentechnisch hergestelltes, menschliches aktiviertes Protein. Es sorgt dafür, dass die Blutgerinnung und die Auflösung von Gerinnseln im Gleichgewicht bleiben. In einer klinischen Studie wurde nachgewiesen, dass „Xigris“ die Sterblichkeit um sechs Prozent senken konnte.

Auch die Heidelberger Wissenschaftler wollen die Schockreaktion durch einen spezifischen Angriff an bestimmten Molekülstrukturen aufhalten. So haben sie ein Tiermodell entwickelt, mit dem die Bedeutung bestimmter Oberflächenproteine in Entzündungszellen bei einer Sepsis untersucht werden kann. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum haben sie festgestellt, dass Mäuse ohne das Regulatormolekül RAGE häufiger eine Blutvergiftung überleben als Mäuse mit RAGE. Das Rezeptormolekül erkennt und bindet bestimmte Eiweißstoffe, bevorzugt „Advanced Glycation Endproducts“ (AGE) – daher stammt der Name RAGE – und setzt dadurch Entzündungsreaktionen in Gang. Ziel dieser Forschungsarbeiten ist die Entwicklung neuer Medikamente, die erfolgreich am Tiermodell getestet, möglichst bald in die klinische Praxis gelangen sollen, um die bisher eher schlechten Chancen für Sepsis-Patienten zu verbessern.

(Universitätsklinikum Heidelberg, 09.09.2004 – NPO)

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