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Zoologie

Kollabierende Lunge hilft Seelöwen beim Tauchen

Blockierter Gasaustausch verhindert Taucherkrankheit und erhält Sauerstoffvorrat

Dieses Kalifornische Seelöwen-Weibchen trägt eine Messelektrode in der Aorta und auf dem Rücken einen Datenprozessor, einen Tiefenmesser und einen Radiotransponder. © Birgitte McDonald

Eine raffinierte Anpassung macht Seelöwen zu meisterhaften Tauchern: Ihre Lungenbläschen fallen ab einer Tiefe von rund 225 Metern in sich zusammen und verhindern jeden weiteren Gasaustausch. Was für uns Menschen tödlich wäre, hilft den Meeressäugern gleich auf zweierlei Weise, wie US-amerikanische Forscher herausfanden. Die kollabierte Lunge verhindert, dass sich Stickstoff im Blut anreichere und beim raschen Wiederauftauchen Blasen bilden. Dadurch entgehen die Seelöwen der tödlichen Taucherkrankheit. Zum anderen aber bleibt durch die blockierte Lunge ein Sauerstoffvorrat in den oberen Atemwegen erhalten, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Biology Letters“ berichten. Von diesem Luftvorrat zehren die Seelöwen beim Wiederaufstieg an die Wasseroberfläche: Ihre Lunge dehne sich wieder aus und könne diesen Sauerstoff nun nutzen, um eine Unterversorgung auf den letzten Metern zu verhindern, erklären Brigitte McDonald und ihre Kollegen von der Scripps Institution of Oceanography im kalifornischen La Jolla.

Die Taucherkrankheit entsteht, weil sich bei höherem Druck – wie beispielsweise beim tiefen Tauchen – mehr Stickstoff im Blut löst. Steigt der Taucher dann zu schnell wieder auf, kann das Blut den Stickstoff nicht mehr halten und das Gas sprudelt als Bläschen aus. Als Folge können Blutgefäße und Organe schwer geschädigt werden. Da Seelöwen und andere Meeressäuger häufig mehrere hundert Meter tief tauchen und schnell wiederauftauchen, würden sie ohne schützende Anpassungen an dieser Krankheit sterben.

Schon seit längerem wird vermutet, dass ein Lungenkollaps die Meeressäuger vor der Taucherkrankheit bewahrt. Dies bei wildlebenden Tieren nachzuweisen sei aber schwierig, sagen die Forscher. Die meisten bisherigen Messungen seien daher bei gefangenen Meeressäugern in Druckkammern erfolgt. „Das ist nun der erste Beleg für Lungenkollaps bei einem freilebenden Kalifornischen Seelöwen“, schreiben McDonald und ihre Kollegen.

Elektrode in der Aorta misst Blutsauerstoff beim Tauchen

Für ihre Studie fingen die Forscher ein freilebendes Weibchen der Kalifornischen Seelöwen (Zalophus californianus) ein und pflanzten ihm unter Betäubung eine Messelektrode in die Aorta. Von dieser führte ein dünnes Kabel zu einem wasserdicht eingeschlossenen Miniprozessor, der am Rücken der Seelöwin befestigt war. Er speicherte die von der Elektrode übermittelten Sauerstoffdaten aus dem Blut der Seelöwin. Zusätzlich befestigten die Forscher noch einen Tiefenmesser und einen Radiotransmitter am Rücken des Tieres. Anschließend wurde die Seelöwin wieder freigelassen und konnte unbehindert Tauchen und jagen. Nach einigen Tauchgängen fingen die Forscher das Tier wieder ein und entfernten alle Geräte.

Die Sauerstoffwerte aus dem Blut der Seelöwin verrieten genau, wann ihre Lunge kollabierte: „Etwa in 225 Metern Tiefe sanken die Sauerstoffwerte plötzlich stark ab“, schreiben McDonald und ihre Kollegen. Das zeige, dass zu diesem Zeitpunkt der Gasaustausch über die Lunge abgebrochen sei. Beim Wiederauftauchen setzte die Lungenfunktion etwa in der gleichen Tiefe wieder ein.

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Überraschend waren aber die Sauerstoffwerte beim Auftauchen: Normalerweise öffnen sich zwar die Lungenbläschen dabei wieder, da aber in der Lunge keine Luft mehr vorhanden ist, leidet der Körper unter Sauerstoffmangel. Doch bei der Seelöwin lag die Sauerstoffsättigung des Blutes selbst kurz vor dem Auftauchen noch bei 85 Prozent, also sehr hoch. Wie die Forscher berichten, verdanken die Meeressäuger auch dies ihrer Tauchtechnik: „Durch den Lungenkollaps bleibt ein Sauerstoff-Reservoir in den oberen Atemwegen erhalten, das dann das Blut bei Auftauchen mit Sauerstoff versorgt“, sagt McDonald. Das sei der erste Beleg für diese Art der Vorratsbildung. (doi:10.1098/rsbl.2012.0743)

(Biology Letters, 19.09.2012 – NPO)

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