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Neurobiologie

Facebook beeinflusst Wählerverhalten

In einem 61-Millionen-Personen Experiment zeigen Wissenschaftler die Macht von sozialen Netzwerken

Der Ausschnitt zeigt beispielhaft die News-Meldung, die während der US-Kongresswahlen 2010 auf dem Online-Profil von über 60 Millionen Facebook-Usern erschien. © James Fowler, UC San Dieg

Eine einzige Facebook-Nachricht kann das Wahlverhalten von Tausenden von Menschen und ihren Freunden beeinflussen. Das haben US-amerikanische Forscher in einem Experiment mit knapp 61 Millionen Nutzern des sozialen Netzwerks festgestellt.

Während der Wahlen zum US-Kongress im Jahr 2010 schickten die Forscher eine Meldung auf das Facebook-Profil dieser Personen. Darin wurden sie aufgefordert, zur Wahl zu gehen. Zudem gab es einen anklickbaren Button mit der Aufschrift „Ich habe gewählt“. Bei einem Teil der Probanden wurde diese Nachricht in Verbindung mit dem Hinweis angezeigt, dass sechs ihrer Facebook-Freunde den „Gewählt“-Button bereits betätigt hätten. Das Ergebnis: Nur jene Gruppe, welche die Nachricht zusammen mit diesem Hinweis erhalten hatte, wies eine höhere Wahlbeteiligung auf. Dies zeige, dass der soziale Aspekt bei Internet-Netzwerken ausschlaggebend für die Beeinflussung der Nutzer sei, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.

„Das, was online passiert, hat auch Auswirkungen auf die reale Welt“, erklärt Erstautor James Fowler von der University of California in San Diego. Der Einfluss eines sozialen Netzwerks könne das Verhalten der Nutzer verändern. Triebkraft dabei seien nicht einfache Mitteilungen, sondern das Wissen darum, wie die eigenen Freunde auf eine Mitteilung oder einen Appell reagiert haben.

Digitale Erinnerung am Wahltag

Die Forscher führten ihr Experiment am 2. November 2010 durch, dem Tag der Kongress-Wahlen in den USA. An diesem Tag erhielten knapp 61 Millionen US-amerikanische Facebook-Nutzer auf ihrer Profil-Seite alle gleichzeitig ein Statement an der Spitze ihrer Facebook-Neuigkeiten. Darin wurden sie daran erinnert, dass heute Wahltag sei und aufgefordert, wählen zu gehen. Zudem enthielt die Nachricht einen Link auf umliegende Wahllokale und einen „Ich habe gewählt“-Button, mit dem die Nutzer ihren Urnengang für ihre Facebook-Freunde sichtbar bestätigen konnten. 600.000 dieser Nutzer erhielten eine modifizierte, sogenannte „soziale Nachricht“, die zusätzlich angab, dass sechs ihrer Facebook-Freunde den „Gewählt“-Button bereits angeklickt hatten. Dazu erschienen auch Fotos der jeweiligen Freunde. Zur Kontrolle gab es noch eine dritte Gruppe, der keine der beiden Meldungen auf ihrer Facebook-Seite angezeigt wurde.

Dabei gewährleistete der Umfang aller drei Versuchsgruppen und die zufällige Auswahl der Personen, dass mögliche Effekte auch tatsächlich auf die Facebook-Nachricht zurückgeführt werden konnten, erklären die Forscher. Andere Einflussfaktoren, wie der Fakt, dass Mitglieder in Netzwerke an sich schon bestimmte Gemeinsamkeiten haben, konnten damit ausgeschlossen werden.

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Die Facebook-Nachricht erzeugte 340.000 neue Wähler

„Der soziale Einfluss machte den Unterschied in der Mobilisierung der Wähler“, fasst Fowler das Ergebnis der Studie zusammen. Denn weder die Aufforderung zur Wahl noch der „Gewählt“-Button hätten die Testpersonen zum Wahlgang veranlasst. Nur diese Informationen mit dem zusätzlichen Hinweis, dass Freunde auf Facebook bereits den Button betätigt hatten, führten zu einer erhöhten Wahlbeteiligung. Die Forscher hatten nach Ende des Wahltags anhand der Wählerverzeichnisse nachgeprüft, wer von den Nutzern tatsächlich wählen gegangen war. Sie errechneten, dass insgesamt 60.000 neue Wähler durch die „soziale Nachricht“ dazugewonnen wurden…

Der Effekt des sozialen Netzes reichte sogar noch weiter, wie die Forscher berichten. Denn auch Freunde der Facebook-Nutzer, welche die Wahlaufforderung gar nicht direkt von den Forschern bekommen hatten, wurden in ihrem Verhalten beeinflusst. So konnte die soziale Nachricht auf indirektem Wege sogar zusätzliche 280.000 US-Bürger zum Urnengang veranlassen, sagen die Wissenschaftler.

„Es war nicht der ‚Ich habe gewählt-Button‘, der die Stimmen brachte, es war die jeweilige Person dahinter“, erklärt Fowler. Denn nicht alle Facebook-Freunde seien gleich einflussreich gewesen. Am effektivsten wirkte die Wahlaufforderung dann, wenn enge Freunde, also auf Facebook besonders häufig kontaktierte Freunde der Nutzer, mitteilten, sie hätten schon gewählt. „Unserer Studie zufolge ist sozialer Einfluss die beste Art und Weise ist, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, sagt Fowler. Ihre Erkenntnisse seien dabei der erste Hinweis, wie Eingriffe in soziale Netzwerke zu gestalten sind, um das Verhalten der Bevölkerung im positiven Sinne zu verändern. (doi: 10.1038/nature11421)

(Nature, 13.09.2012 – INR)

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