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Evolution

Älteste Gliederfüßer im Bernstein entdeckt

Einschlüsse 100 Millionen Jahre älter als bisherige Funde

Zwei neue Arten von Gallmilben in 230 Millionen Jahre alten Bernsteintropfen aus Italien in 1000-facher Vergrößerung aufgenommen: Triasacarus fedelei (links) und Ampezzoa triassica. © Universität Padua / Stefano Castelli

Ein internationales Forscherteam hat die bisher ältesten in Bernstein konservierten Gliederfüßer entdeckt. Die drei im Baumharz erhaltenen Fossilien sind 230 Millionen Jahre alt und damit 100 Millionen Jahre älter als alle bisherigen Funde dieser Tiergruppe. Zu den Gliederfüßern gehören unter anderem alle heutige Insekten, Krebse und Spinnentiere. Zwei Gallmilben und ein zweiflügliges Insekt aus dem Zeitalter der Trias haben die Forscher nun in winzigen Bernsteintröpfchen aus den italienischen Dolomiten gefunden. Die fossilen Gallmilben seien dabei ihren heutigen Vertretern erstaunlich ähnlich, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

„Nach dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte am Ende des Perm vor etwa 250 Millionen Jahren gab es in der darauffolgenden Trias große Veränderungen in der Pflanzen- und Tierwelt“, erklärt Studienleiter Alexander Schmidt von der Universität Göttingen. Für das Verständnis der Evolution des Lebens auf der Erde sei die Zeit der Trias daher besonders wichtig. In diese Ära eröffnet der neue Bernsteinfund nun ein Fenster.

Bernsteine sind fossile Harze, die überwiegend von urzeitlichen Nadelbäumen (Koniferen) stammen. Geringe Mengen Bernstein gab es zwar auch schon im Karbon vor 340 Millionen Jahren, größere Mengen davon existieren aber erst seit der Kreidezeit vor etwa 130 Millionen Jahren. Unter anderem deshalb stammten die meisten bisher entdeckten eingeschlossenen Arthropoden aus der Kreidezeit. Um herauszufinden, ob es dennoch frühere Einschlüsse dieser Tiergruppe gibt, hatten Schmidt und seine Kollegen in siebenjähriger Arbeit etwa 70.000 der triassischen Bernsteintropfen nach Einschlüssen jeglicher Art durchsucht. Neben Mikroorganismen und Pflanzenresten kamen dabei tatsächlich drei Gliederfüßer zum Vorschein.

Triassische Bernsteintropfen aus den Dolomiten. © Universität Padua / Stefano Castelli

Urzeitliche Gallmilben waren Nedelbaum-Parasiten

Bei zwei dieser Einschlüsse handelt es sich um neue Milbenarten, Triasacarus fedelei und Ampezzoa triassica. Diese repräsentieren die ältesten Fossilien der extrem spezialisierten Gruppe der Gallmilben. Diese Milbengruppe ernährt sich von Pflanzenmaterial und erzeugt dabei oft abnormes Wachstum („Gallen“) an ihren Wirtspflanzen. Die Gallmilben aus dem frühen Erdmittelalter sind den heutigen überraschend ähnlich. Auch vor 230 Millionen Jahren waren alle der charakteristischen Merkmale dieser Gruppe bereits vorhanden. „Diese Gruppe muss daher wesentlich älter sein, als bisher angenommen“, berichtet Schmidt.

Etwa 97 Prozent der heutigen Gallmilben ernähren sich von Blütenpflanzen, jedoch existierten die beidne fossilen Gallmilbenarten 100 Millionen Jahre vor dem Auftreten dieser heute dominierenden Pflanzengruppe. Die Milben aus der Trias haben stattdessen als Parasiten auf Nadelbäumen gelebt, deren Harz sie schließlich einschloss. „Wir wissen jetzt, dass Gallmilben sehr anpassungsfähig sind“, sagt Koautor David Grimaldi, Spezialist für fossile Arthropoden am American Museum of Natural History in New York. „Als die Blütenpflanzen später in der Kreidezeit begannen, die Landlebensräume zu dominieren, änderten diese Milben ihre Ernährungsgewohnheiten. Dies zeigt, dass Gallmilben in der Lage sind, die jeweils vorherrschenden Pflanzen zu nutzen und dass sie sich zusammen mit ihren Wirtspflanzen entwickelt haben.“

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Der dritte Bernsteineinschluss, ein Zweiflügler, kann nicht genauer identifiziert werden, da die meisten Körperteile nicht vollständig erhalten sind. Aber dieses Fossil zeigt, dass auch Insekten in ungewöhnlich alten Bernsteinen enthalten sein können. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2012; doi: 10.1073/pnas.1208464109).

(Universität Göttingen, 28.08.2012 – NPO)

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