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Zoologie

Gibbons singen wie Opernsängerinnen

Die Affen verstärken ihre Laute durch die Stimmtechnik von Sopranistinnen

Rufender Weißhandgibbon (Hylobates lar). © Chell Hill / CC BY-SA 3.0

Gibbons benutzen für ihre durchdringenden Rufe die gleiche Stimmtechnik wie ausgebildete Sopranistinnen: Sie verändern gezielt die Resonanzeigenschaften ihres Stimmapparates, um die von den Stimmbändern erzeugten Laute möglichst effektiv zu verstärken. Dadurch entstehen besonders reine und laute Töne, haben japanische Forscher gezeigt. Sie hatten ein junges Weißhandgibbonweibchen Helium einatmen lassen, um aus der Veränderung der Rufe ableiten zu können, wie der Stimmapparat der Primaten funktioniert. Das Team um Hiroki Koda von der Kyoto University in Inuyama stellt seine Ergebnisse im Fachmagazin „American Journal of Physical Anthropology“ vor.

Klangfarbe entsteht es im Mund

Beim Menschen besteht ein stimmhafter Laut aus zwei Teilen: dem Grundton, der durch die Schwingung der Stimmlippen am Kehlkopf entsteht, und der anschließenden Veränderung dieses Klangs durch den Vokaltrakt. Darunter versteht man die Gesamtheit der Hohlräume von Rachen, Mundraum und Nasenhöhlen, deren Form durch Lippen, Zunge, Zähne et cetera verändert werden kann. Erst dieses Filtersystem verleiht einem Ton die typische Klangfarbe. Entscheidend dafür ist, welche Frequenzbereiche des Grundtons durch die Resonanzeigenschaften des Vokaltrakts verstärkt und welche eher gedämpft werden.

Da beide Teile – Stimmlippen und Vokaltrakt – unabhängig voneinander gesteuert werden können, lassen sich die Resonanzeigenschaften gezielt verändern. Besonders wichtig ist diese Fähigkeit für Sopranistinnen: Um auch in hohen Tonlagen noch verschiedene Vokale artikulieren zu können, müssen sie die Form ihres Vokaltraktes drastisch verändern. Denn nur so gelingt es ihnen, das Muster beziehungsweise das Verhältnis der jeweils verstärkten Frequenzbereiche zu bewahren.

Gibbons und Menschen singen gleich

Forscher hatten bisher angenommen, dass dieses Prinzip einzigartig für den Menschen ist und dass es in der menschlichen Evolution bestimmte Veränderungen der Anatomie von Vokaltrakt und Kehlkopf gegeben haben muss, um es zu ermöglichen. Die Ergebnisse der Japaner sprechen nun allerdings gegen diese These. Die Auswertung der Gibbonrufe mit und ohne Helium zeigt nämlich: Auch die Affen können Grundfrequenz und Filtersystem unabhängig voneinander steuern. Ändern sich plötzlich die Schallgeschwindigkeit und die Resonanzeigenschaften des Vokaltrakts, wie es beim Einatmen von Helium der Fall ist, nutzen die Tiere den gleichen physikalischen Trick wie Sopranistinnen bei hohen Tönen, um weiterhin die typischen klaren, durchdringenden Rufe erzeugen zu können: Sie verändern die Form ihres Vokaltrakts und erhalten so bestimmte Verhältnisse zwischen Grundfrequenz und verstärkten Frequenzbereichen.

Während die Sängerinnen damit allerdings die Verständlichkeit der Sprache bewahren wollen, zielen die Gibbons darauf ab, ihre Rufe möglichst effektiv zu verstärken, erläutert das Team. Da ihnen die anatomischen Voraussetzungen wie Luftsäcke oder zusätzlich Hohlräume fehlen, die andere Affen für diesen Zweck einsetzen, haben sie einen äußerst dynamischen Vokaltrakt entwickelt. Dadurch gelingt es ihnen, ihre Rufe über mehr als zwei Kilometer Entfernung hörbar zu machen – eine Fähigkeit, die für die Kommunikation mit ihren Artgenossen in dem dichten, unübersichtlichen Dschungel, in dem sie leben, unverzichtbar ist. (doi: 10.1002/ajpa.22124)

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(American Journal of Physical Anthropology, 24.08.2012 – ILB)

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