60 von 100 Punkten – das ist das durchschnittliche Ergebnis des ersten globalen Gesundheitschecks der Ozeane. Ein internationales Forscherteam hat eigens dafür einen neuen Index entwickelt, der auch die verschiedenen Nutzungen des Meeres durch den Menschen berücksichtigt. Im Ländervergleich liegen deutschen Küsten dabei mit 73 Punkten unter den Besten – gleichauf mit den Seychellen. Deutschland habe in acht von zehn Kategorien gut abgeschnitten, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature“. Darunter seien Küstenschutz, Wasserqualität und Artenreichtum, aber auch der Beitrag des Meeres zur Wirtschaft und lokalen Fischerei.
Insgesamt lagen 32 Prozent aller Länder im neuen Ocean Health Index unter einem Wert von 50, nur fünf Prozent erreichten mehr als 70. „Das lässt noch viel Raum für Verbesserungen“, konstatieren Benjamin Halpern von der University of California in Santa Barbara und seine mehr als 30 Kollegen.
Bisher gab es keinen einheitlichen Index, mit dem sich der Zustand der Ozeane messen ließ, wie die Forscher berichten. Zudem sei der Mensch bei früheren Untersuchungen oft als reiner Störfaktor betrachtet worden. „Wir neigen dazu zu vergessen, dass der Mensch heute Teil aller Ökosysteme ist“, sagt Halpern. Der Ocean Health Index sei einzigartig, weil er den Menschen als Teil des Meeresökosystems berücksichtige.
Nach Ansicht der Forscher ist der Index eine große Hilfe für Maßnahmen und Entscheidungen zum Meeresschutz. „Der Index ermöglicht es nun, sich gezielt auf die Schlüsselfaktoren zu konzentrieren, die in dem jeweiligen Land oder der Region im Argen liegen und einen Unterschied bewirken können“, erklärt Mitautor Andrew Rosenberg von der Organisation Conservation International.
171 nationale Küstenbereiche erfasst
Im Ocean Health Index ist der Zustand der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von 171 Ländern erfasst. Diese Zone umfasst den Bereich von der Küste bis 200 Seemeilen ins Meer hinaus. Für dieses Gebiet sammelten die Forscher aus nationalen Statistiken sowie übergreifenden Erhebungen jeweils Daten zu zehn Kategorien. Diese umfassen Artenreichtum, industriellen Fischfang und Aquakultur, lokale Fischereien, Wasserqualität, besonders wertvolle Arten und Orte, die wirtschaftliche Bedeutung des Meeres, Tourismus und Erholung, Küstenschutz, die Rolle des Meeres als Klimapuffer und die Nutzung von nicht essbaren Meeresressourcen, beispielsweise Algen, Schwämmen oder Korallen.
„Jedes der zehn Ziele kann für eine Region einzeln betrachtet und verglichen oder aber zu einem Gesamtwert zusammengefasst werden“, schreiben die Forscher. Dadurch bekomme man konkrete quantitative Ausgangswerte, mit denen man Länder untereinander, aber auch zukünftige Entwicklungen mit dem heutigen Zustand vergleichen könne.
Die Spannbreite der Werte für den Gesamtindex reichte von 36 für Sierra Leone bis 86 für eine kleine unbewohnte Insel im Südpazifik, Jarvis Island. Industrieländer, darunter neben Deutschland auch Kanada, Japan und Australien, hätten meist besser abgeschnitten als Entwicklungsländer, berichten die Forscher. Das liege unter anderem an der meist besseren Infrastruktur und strengeren Richtlinien. Es gab aber auch Ausnahmen: So erreichten Polen und Singapur – beides keine armen Länder – nur 42 und 48 Punkte. Schlechte Werte erzielten auch viele Länder Westafrikas, Lateinamerikas und des Mittleren Ostens. (doi:10.1038/nature11397)
(Nature, 16.08.2012 – NPO)