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Astronomie

Sternriesen leben doch nicht als Singles

Drei Viertel existieren in enger Gemeinschaft mit einem Begleiter

Diese grafische Darstellung zeigt einen Riesenstern in einem Doppelsternsystem, der seinem Partner wie ein Vampir Materie absaugt. © ESO/L. Calçada/S.E. de Mink

Die hellsten Sterne im Universum gibt es häufiger als gedacht im Doppelpack: Drei Viertel dieser Sternriesen haben einen nahen Begleitstern. Meist kommen sich in diesem Team beide Partner sogar so nahe, dass der Riesenstern zum Vampir wird: Er saugt seinem Begleiter Materie ab. In einem Drittel der Fälle verleibt sich der Riese seinen kleineren Partner sogar ganz ein und verschmilzt mit ihm. Das hat ein internationales Forscherteam bei der Beobachtung dieser sogenannten O-Sterne herausgefunden. Die Beobachtungen zeigten, dass sich nur ein kleiner Teil dieser stellaren Riesen einzeln und ungestört bis zu seinem Ende als Supernova entwickelte. Stattdessen verlaufe der Lebenszyklus dieser Himmelskörper weitaus turbulenter als bisher angenommen, berichten die Astronomen im Fachmagazin „Science“. An der Studie waren auch Forscher der Universität Bonn führend beteiligt.

„Diese Sterne sind absolute Monster“, erklärt Erstautor Hugues Sana von der Universität Amsterdam in den Niederlanden. O-Sterne seien die hellsten und kurzlebigsten Sterne im Universum. Denn sie hätten mindestens die fünfzehnfache Masse der Sonne und bis zu einer Million Mal mehr Leuchtkraft. Diese Sterne seien mehr als 30.000 Grad Celsius heiß und strahlten daher sehr hellem blau-weißem Licht.

Zwar sind die O-Sterne im heutigen Universum vergleichsweise selten. Doch durch ihre besonderen Eigenschaften prägen sie ihre gesamte Umwelt und den Werdegang ganzer Galaxien, wie die Forscher berichten. So heizen die intensive Strahlung und die starken Sternwinde dieser Riesen umgebende Gaswolken auf und können die Sternenbildung in Galaxien sowohl anregen als auch verhindern. Ein großer Teil aller schweren Elemente im Universum stamme zudem aus den Supernova-Explosionen, mit denen diese Sternenriesen ihren Lebenszyklus beenden. Einige von ihnen sind vermutlich sogar für Gammastrahlenausbrüche verantwortlich – die energiereichsten Explosionen im gesamten Kosmos.

Diese drei Aufnahmen des 2,2 Meter Teleskops der ESO auf dem Paranal in Chile zeigen die hellen, bläulich-weißen Riesensterne (blau umrandet) in drei Himmelsregionen, dem Carina-Nebel (links), dem Adlernebel (Mitte) und dem Sternennebel IC2944. © ESO

Bestandsaufnahme bei 71 Riesensternen

Für ihre Studie hatten die Astronomen 71 Sternriesen und Doppelsterne in sechs nahegelegenen, jungen galaktischen Sternhaufen untersucht. Sie werteten dafür Beobachtungsdaten des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile aus mehr als zehn Jahren aus. Die Daten zeigten: 75 Prozent aller O-Sterne sind Teil eines Doppelsternsystems. 40 bis 50 Prozent von ihnen seien Vampirsterne, bei bis zu einem Drittel der O-Sterne ende die Sternenpartnerschaft mit einer Verschmelzung, berichten die Astronomen.

Bisher war man der Ansicht, dass massereiche Doppelsterne mit engen Umlaufbahnen und intensiven Wechselwirkungen die absoluten Ausnahmefälle sind. Die neue Studie rücke dieses vereinfachte Bild vom Universum zurecht, sagen die Forscher. Schwergewichtige Doppelsterne seien demnach nicht nur häufig, sondern ihr Lebensweg verlaufe auch signifikant anders als bei Einzelsternen.

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Diese Erkenntnis ist auch für die Beobachtung ferner Galaxien wichtig, wie die Astronomen erklären. Denn sowohl das Verschmelzen als auch das Absaugen von Materie mache die beteiligten Partner heißer und blauer. Sie ähneln so dem Erscheinungsbild viel jüngerer Sterne. Dadurch kann die Sternpopulation einer weit entfernten Galaxie viel jünger erscheinen, als sie eigentlich ist. Wer ferne Galaxien verstehen wolle, müsse daher die tatsächliche Häufigkeit von wechselwirkenden massereichen Doppelsternen kennen. (doi:10.1126/science.1223344)

(Science, 27.07.2012 – NPO)

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