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Physik

Teilchenphysiker haben das Higgs-Boson entdeckt

"Meilenstein für unser Verständnis der Natur"

Darstellung der Teilchenspuren beim Zerfall eines Higgs-Bosons im Detektor CMS © CERN / CMS Collaboration

„Wir haben eine Entdeckung – wir haben ein Teilchen gefunden, das konsistent mit dem Higgs-Boson ist“, mit diesem Satz schloss CERN Generaldirektor Rolf Heuer das mit Spannung erwartete Seminar im Forschungszentrum CERN in Genf. Damit bestätigte er unter donnerndem Applaus und Jubelrufen offiziell, dass die Teilchenphysiker nach mehr als 30 Jahren der Suche das Higgs-Boson den letzten noch fehlenden Baustein im Standardmodell der Teilchenphysik nachgewiesen haben könnten. Gelungen war dies im größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron Collider (LHC) des CERN.

Neues Teilchen mit etwa 125 Gigaelektronenvolt Masse

Bereits etwa eine gute Stunde früher war in Genf bereits der erste entscheidende Satz gefallen: „Wir haben ein neues Boson entdeckt mit einer Masse von 125,3 Gigaelektronenvolt“, verkündete gegen 09:30 Uhr der sichtbar aufgeregte Joseph Incandela, Sprecher der CMS-Kollaboration, einem der beiden großen Experimente am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC). Kombiniere man die Ergebnisse der verschiedenen Messverfahren im CMS-Detektor, erreiche man dafür eine Signifikanz von fünf Standardabweichungen – ein Wert, ab dem in der Teilchenphysik ein Fund offiziell als Entdeckung gilt.

Wenig später bestätigte auch Fabiola Gianotti, Sprecherin des ATLAS-Experiments am CERN, diese Entdeckung. Auch der ATLAS-Detektor habe unabhängig vom CMS Indizien für ein neues Partikel mit der Masse von etwa 126 Gigaelektronenvolt gefunden – und dies ebenfalls mit einer kombinierten Signifikanz von fünf Sigma.

Blick in den Detektor CMS am Teilchenbeschleuniger LHC des CERN © CERN/ CMS Collaboration

„Damit sind wir uns nun sehr, sehr sicher, dass wir ein neues Elementarteilchen gefunden haben und auch sehr sicher, dass es sich dabei um das Standardmodell Higgs-Boson handelt“, erklärt Thomas Müller, Leiter des Instituts für Experimentelle Kernphysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und langjähriges Mitglied der CMS-Kollaboration gegenüber der dapd. „Als Laie würde ich sagen: Wir haben es“, kommentierte Heuer die Ergebnisse am Ende des Seminars. Das sei ein echter Grund zur Freude. Man habe mit der Entdeckung des Higgs-Bosons einen Meilenstein in unserem Verständnis der Natur erreicht. „Die Entdeckung eines Partikels, das konsistent mit Higgs-Boson ist, wird auch auf andere Rätsel unsere Universums ein neues Licht werfen“, so Heuer.

Entscheidend waren LHC-Daten aus dem letzten Monat

Die neue Entdeckung verdanken die Forscher zahllosen Verbesserungen und Optimierungen, die sie seit Herbst letzten Jahres an den Detektoren und den Analyseverfahren des LHC durchgeführt haben. „Es waren letztlich die Läufe des letzten Monats, die es ausgemacht haben“, sagte Incandela. Man habe mit dem LHC in diesem Jahr Teilchenstrahlen mit acht Teraelektronenvolt Energie erzeugt – mehr als jemals zuvor. Dadurch bekomme man 25 Prozent mehr Ereignisse im niedrigeren Massenbereich – in dem Bereich, in dem man das Higgs-Boson erwartete.

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Zudem seien auch die Auswertungsmechanismen optimiert worden, dadurch habe man Effizienz und Genauigkeit der Analysen erhöhen können, erklärte der CERN-Forscher. Die Fähigkeit, die Higgs-Boson-typischen Ereignisse aus den Millionen von Kollisionen herauszupicken habe sich dadurch erhöht. „Wir haben dadurch 15 Prozent Genauigkeit gewonnen“, sagte Incandela.

Blick ins Auditorium des CERN kurz Verkündung der Entdeckung © CERN / Maximilien Brice

Merkmale des neuen Teilchens müssen nun erforscht werden

Die CERN-Forscher bezeichnen ihr Ergebnis noch als vorläufig, da die Auswertungen nicht abgeschlossen seien. „Um ganz sicher zu gehen, dass es sich tatsächlich um das vom Standardmodell vorhergesagte Higgs-Boson handelt, müssen wir noch mehr seiner Eigenschaften untersuchen“, erklärt Müller. Man müsse noch prüfen, ob sich das neuentdeckte Teilchen tatsächlich mit Fermionen, den Teilchen der normalen Materie, verbinde. Denn erst dieser Prozess sei es, der der Materie die Masse verleihe – und der das Standardmodell Higgs-Boson charakterisiere.

„Dazu brauchen wir vermutlich noch dieses Jahr“, prognostiziert Müller. Aber welche Merkmale auch immer das neue Teilchen habe, es sei jetzt schon sicher, dass es das fundamentale Verständnis der Materie einen großen Schritt vorwärtsbringen werde.

Mehr zum Higgs-Boson und seiner Bedeutung in unserem Special.

(CERN / Institut für Experimentelle Kernphysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 04.07.2012 – NPO)

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