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Biologie

Ameisenmännchen beseitigen Rivalen durch Auftragsmord

Duftstoff-Markierung gibt Konkurrenten für die Arbeiterinnen zum Töten frei

Ein älteres (dunkles) Ameisenmännchen der Art Cardiocondyla obscurior hält ein jüngeres (helles) Männchen im Kampf fest. © Sylvia Cremer, IST Austria

Die Männchen einer tropischen Ameisenart schaffen sich jüngere Konkurrenten mit einer perfiden Strategie vom Hals: Sie kämpfen nicht selbst, sondern beschmieren ihre Gegner mit einem Sekret. Dieser Duft bringt die Ameisen-Arbeiterinnen dazu, die solcherart markierten Jungmännchen innerhalb kurzer Zeit zu töten. Das haben Forscher der Universität Regensburg und des Institute of Science and Technology (IST) im österreichischen Klosterneuburg herausgefunden. Am Ende bleibe pro Ameisennest meist nur noch eines dieser flügellosen Männchen übrig. Für das Ameisenvolk sei es aber dennoch biologisch sinnvoll, so viele Männchen zu produzieren, die ohnehin getötet werden, wie die Forscher im Fachmagazin „BMC Ecology“ berichten. Denn sie dienten den Ameisenlarven als Nahrung und sorgten dafür, dass immer Ersatz für das dominierende Männchen vorhanden sei.

Bei den meisten Ameisenarten werben die Männchen friedlich um die Königinnen. Sie versuchen während des Hochzeitsflugs, als Erster das geflügelte Weibchen zu erreichen und sich mit diesem zu paaren. Ein ganz anderes Bild zeigt sich dagegen bei der tropischen Ameisenart Cardiocondyla obscurior, wie Sylvia Cremer von der Universität Regensburg und ihre Kollegen berichten. Bei dieser Art gibt es zwei Typen von Männchen, friedfertige Exemplare mit Flügeln und aggressive flügellose Männchen. Die friedfertigen Männchen verlassen das Nest relativ schnell und greifen ihre Konkurrenten nicht an. Vor ihren flügellosen Geschlechtsgenossen schützen sie sich, indem sie einen Geruch absondern, der dem junger Königinnen ähnelt, wie die Forscher erklären.

Unter den flügellosen Männchen herrscht dagegen gnadenlose Konkurrenz: „Sie patrouillieren durch das Nest und greifen junge Rivalen mit ihren verlängerten, sichelförmigen Kiefern“, schreiben die Wissenschaftler. Die Mundwerkzeuge dieser Männchen seien allerdings nicht gut zum Beißen geeignet. Daher hielten sie ihre jungen Gegner lediglich fest und beschmieren sie mit einer chemischen Substanz, die sie als feindlich markiert. „Die eingeschmierten Männchen werden innerhalb von Minuten bis Stunden von den Arbeiterinnen getötet“, berichten Cremer und ihre Kollegen. Am Ende sei immer nur ein flügelloses Männchen pro Nest übrig, das sich mit den schlüpfenden Jungköniginnen paare.

Dem Tod geweiht zum Wohle des Ameisenvolks

Nach Ansicht der Forscher sind die flügellosen Jungmännchen vermutlich den Königinnen zu unähnlich, um wie ihre geflügelten Geschlechtsgenossen den Trick mit der chemischen Tarnung nutzen zu können. Dennoch erfülle das vermeintlich brutale Treiben in der Ameisenkolonie durchaus einen wichtigen Zweck. Indem die ungeschützten Männchen trotzdem gezeugt werden, sei sichergestellt, dass beim Tod des dominanten Männchens jederzeit ein Nachfolger vorhanden ist.

Zwar stirbt ein Großteil der flügellosen Männchen im Laufe der Konkurrenzkämpfe, davon aber profitiert wiederum der Stock als Ganzes, wie Cremer und ihre Kollegen erklären. Denn die getöteten Männchen dienten gleichzeitig als Futter für die Larven. Die Kosten dieser artspezifischen Verhaltensstrategie blieben damit für die Gesamtkolonie überschaubar.

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Ameisenvolk im Labor beobachtet

Für ihre Studie hatten die Forscher ein Ameisenvolk der in Brasilien heimischen Art Cardiocondyla obscurior im Labor gehalten. Sie beobachteten dabei das Verhalten der verschiedenen Männchen und analysierten zusätzlich die Duftstoffe, die von ungeschlüpften Puppen sowie von jungen Männchen abgegeben wurden.

Wie die Biologen dabei feststellten, verraten die jungen, flügellosen Männchen ihre Identität schon im Puppenstadium. Dennoch warten die aggressiven älteren Männchen bis zum Schlüpfen, ehe sie die Tötung der Jungtiere in Auftrag geben. Die Forscher gehen davon aus, dass die Männchen es nicht riskieren wollen, versehentlich eine Paarungspartnerin anstelle eines Konkurrenten zu beseitigen. Denn die chemischen Erkennungsmerkmale von Puppen seien schwieriger zuzuordnen als die Signale geschlüpfter Tiere, sagen die Wissenschaftler. (doi: 10.1186/1472-6785-12-7)

(BMC Ecology, 21.06.2012 – NPO)

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