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Neurobiologie

Umformatierung des Textes hilft bei Legasthenie

Weniger Fehler und höheres Lesetempo durch vergrößerten Buchstaben- und Wortabstand

Eine simple Maßnahme erleichtert Kindern mit Legasthenie das Lesen: wenn die Buchstaben eines Textes weiter auseinander stehen als normal. Diese einfache Anpassung in der Textformatierung genügt bereits, damit Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche schneller und fehlerfreier lesen als zuvor. Das hat ein internationales Forscherteam in Tests mit italienischen und französischen Kindern festgestellt. Offenbar verhindere der besonders große Buchstabenabstand, dass die Legastheniker durch die benachbarten Lettern abgelenkt und in ihrer Worterkennung gestört werden. Diese einfache Anpassung könne daher entscheidend dazu beitragen, den Kindern beim Lesen zu helfen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

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„Unsere Ergebnisse eröffnen einen praktischen Weg, um die Lesefähigkeit von Legasthenikern zu verbessern“, schreiben Marco Zorzi von der Universität von Padua und seine Kollegen. Das sei wichtig, denn der Schlüssel um diesen Kindern langfristig zu helfen, liege auch darin, sie so viel wie möglich zum Lesenüben zu animieren.

Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche haben größere Schwierigkeiten als andere Kinder, Buchstaben, Silben und Wörter zu erkennen und zu schreiben. Sie lesen zudem deutlich langsamer und weniger: „Ein legasthenisches Kind liest in einem Jahr die gleiche Anzahl von Wörtern wie ein guter Leser in zwei Tagen“, sagen die Forscher. Dieser Rückstand beeinträchtige daher meist auch ihre Fortschritte in der Schule.

Für ihre Studie führten die Forscher Tests mit 74 legasthenischen Kindern im Alter von acht bis 14 Jahren durch. Etwa die Hälfte stammte aus Italien, die andere aus Frankreich. Die Kinder erhielten jeweils ein Blatt mit 24 kurzen Sätzen in ihrer Muttersprache darauf und sollten diese laut vorlesen. In einem Test waren diese Sätze mit normalem Buchstaben- und Zeilenabstand gedruckt. Im anderen waren Buchstaben- und Zeilenabstand verdoppelt und die Wörter waren jeweils durch drei Leerzeichen statt nur einem voneinander abgesetzt. In einem zweiten Durchgang sollten die Kinder jeweils fünf zusammen präsentierte Buchstaben korrekt identifizieren – auch hier war der Abstand der Lettern mal normal, mal verdoppelt.

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Weniger Fehler und schnelleres Lesetempo

„Die legasthenischen Kinder machten signifikant weniger Fehler in der weiter gesetzten Textversion und lasen deutlich schneller“, berichten Zorzi und seine Kollegen. Im Durchschnitt sei das Lesetempo um 20 Prozent angestiegen – das entspreche dem Fortschritt, den Grundschüler in einem Schuljahr zeigen. Die Fehlerzahl sei um die Hälfte gesunken.

„Je schlechter die Kinder normalerweise darin waren, die Buchstaben korrekt zu erkennen, desto mehr profitierten sie vom erweiterten Buchstabenabstand“, sagen die Forscher. Bei Nicht-Legasthenikern zeigten sich diese Effekte dagegen nicht, wie ein Zusatztest ergab. Sie schnitten mit dem weiter gesetzten Text schlechter ab als mit dem normal formatierten.

Die Forscher führen die positiven Ergebnisse bei den Legasthenikern auf eine Verringerung des sogenannten Crowding-Effekts zurück: Bei diesem haben die betroffenen Kinder größere Probleme, benachbarte Buchstaben visuell voneinander zu trennen. Die Störeffekte durch diese Ablenkung führten zu Lesefehlern, verlangsamten aber auch das Lesetempo, sagen sie. Der weitere Abstand zwischen den Lettern verringere diesen Effekt. (doi:10.1073/pnas.1205566109)

(Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 06.06.2012 – NPO)

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