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Chemie

Rätsel um unterkühltes Wasser gelöst

Flüssigkeit existiert in zwei Formen unterschiedlicher Dichte

In einem Druckzylinder kühlen die Innsbrucker Forscher Wasser auf sehr tiefe Temperaturen ab. © Eva Fessler / Uni Innsbruck

Forscher haben erstmals nachgewiesen, dass unterkühltes Wasser tatsächlich aus zwei unterschiedlich dichten Flüssigkeiten besteht. Dieses Wasser gefriert nicht, selbst wenn es auf Temperaturen weit unter Null abgekühlt wird. Die beiden Zustände dieser Wasserform machen sie noch exotischer und könnte einige ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften erklären.

Es bedeckt über zwei Drittel unserer Erde und bildet den Grundstoff des menschlichen Körpers: Wasser ist der Urstoff, der Leben auf der Erde möglich macht. Es ist allgegenwärtig und birgt doch viele Geheimnisse. Die Wissenschaft kennt heute über 60 Eigenschaften, in denen sich Wasser von fast allen anderen Flüssigkeiten unterscheidet. Während etwa fast alle Festkörper in der eigenen Schmelze untergehen, schwimmt Eis auf dem Wasser. Sein Gefrierpunkt liegt bei null Grad Celsius, besonders reines Wasser kann aber auch auf Temperasturej weit darunter abgekühlt werden, ohne dass es gefriert. Diesen Zustand bezeichnet man als unterkühlt. „Je tiefer es unterkühlt wird, desto ausgeprägter werden seine anomalen Eigenschaften“, erklärt Studienleiter Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck.

Dass Wasser bei sehr tiefen Temperaturen aus zwei unterschiedlichen Flüssigkeiten bestehen könnte, vermutete man bereits in den 1980-er Jahren. Lange Zeit blieb diese Theorie allerdings äußerst umstritten, weil sie in der Praxis nicht direkt nachweisbar war. „Unterkühltes Wasser hat eine starke Tendenz zu kristallisieren und kann deshalb nur sehr schwer untersucht werden“, erklärt der Physikochemiker Lörting. Wichtige Hinweise lieferte aber die Untersuchung von amorphem Eis. Dieses besteht nicht aus Eiskristallen, sondern behält die molekulare Struktur der flüssigen Form – Wasser das fest, aber nicht gefroren ist.

Zwei unterschiedliche Dichten im amorphen Eis

„Dabei zeigte sich, dass es abhängig vom Umgebungsdruck zwei unterschiedliche Formen von festem Wasser – oder amorphem Eis – gibt, eine mit niedriger Dichte und eine hochdichte Form“, so Lörting. Die Vermutung lag daher nahe, dass es auch in der flüssige Phase zwei unterschiedlich dichte Flüssigkeiten gibt. Lörting und sein Team haben dies nun erstmals experimentell nachgewiesen, indem sie das amorphe Eis unter hohem Druck zu unterkühltem Wasser verflüssigten. „Bei einem Druck zwischen 1.000 und 2.000 bar verflüssigt sich das Wasser zwischen circa -138 und -133 Grad Celsius“, sagt Lörting. Da das Wasser in einem kleinen Zylinder unter einen Hochdruckpresse gekühlt wird, kann dieser Übergang nicht direkt beobachtet werden.

Die Forscher beobachteten deshalb statdessen, wie lange es dauert bis das hochdichte Wasser bei einer bestimmten Temperatur ins Gleichgewicht kommt und einen Ruhezustand einnimmt. Substanzen gelten dann als flüssig, wenn dies innerhalb von 100 Sekunden geschieht. Während dies bei -163°C viele Tage dauert, so sind es bei -138°C nur mehr wenige Minuten. „Dieser Phasenübergang wurde bisher noch von niemandem direkt gemessen. Gemeinsam mit früheren Ergebnissen liefert uns dies einen klaren Hinweis auf die Existenz von zwei unterschiedlichen Flüssigkeiten von Wasser“, sagt Lörting. Diese Daten aus dem Experiment decken sich mit den theoretischen Berechnungen.

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Bereits im vergangenen Jahre haben die Innsbrucker Forscher die zwei Flüssigkeiten experimentell erzeugt und wieder eingefroren. „Die niedrig- und hochdichten Formen verhalten sich wie Wasser und Öl. Sie entmischen sich und bilden zwei Schichten“, erläutert Lörting das Experiment. Die Wissenschaftler entnahmen die gefrorene Probe dem Druckzylinder und lösten die beiden Eisformen voneinander. „Bei höheren Temperaturen expandiert die hochdichte Eisform und geht in die niedrigdichte Form über“, erzählt der Chemiker, „ein weiterer Beweis für die Existenz von zwei flüssigen Formen von Wasser.“ (Physical REview Letters)

(Universität Innsbruck, 01.06.2012 – NPO)

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