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Mikrobiologie

Antibiotika-Sauger macht Mikroben resistent

Forscher entschlüsseln, wie sich Bakterien gegen Wirkstoffe wehren

Die Antibiotikapumpe AcrB (im Hintergrund) besteht aus drei identischen Bestandteilen, die jeweils ein Stadium der peristaltischen Pumpbewegung repräsentieren (blau, gelb, rot). Durch die neue Kristallstruktur konnten die molekularen Details über die Zugänge (grün) eines Antibiotikums in die Pumpe aufgeklärt werden. Das Bild im Vordergrund zeigt, dass zwei verschiedene Bindetaschen (dargestellt als Sphären) an der Erkennung des Antibiotikums beteiligt sind. Die Taschen werden durch eine Schleife (zwischen den zwei Antibiotika-Molekülen) zeitlich und räumlich koordiniert. © Hi-jea Cha

Wie ein Mini-Staubsauger wirkt eine Pumpe in der Bakterien-Membran, die eindringende Antibiotika-Moleküle wieder nach draußen befördert und das Bakterium damit gegen den Wirkstoff resistent macht. Die Details des Prozesses haben Frankfurter Wissenschaftler jetzt mit hochauflösender Röntgenspektroskopie aufgeklärt.

Wie die Forscher in den „Proceedings der National Acadamy of Sciences“ (PNAS) berichten, sind die neuen Ergebnisse nicht nur für die Grundlagenforschung interessant, sondern könnten auch Ansatzpunkte aufzeigen, die Abwehr-Tricks der Bakterien mit neuen Wirkstoffen gezielt zu umgehen.

Multiple Antibiotika-Resistenz ist in den vergangenen Jahren zu einem ernsten medizinischen Problem geworden. Immer mehr bakterielle Krankheitserreger haben Mechanismen entwickelt, sich gegen die gängigen Antibiotika zur Wehr setzen. Hoch effizient sind beispielsweise Pumpen in der Bakterienmembran, die den Wirkstoff aus der Zelle hinaus befördern, noch bevor er die Membran durchquert hat.

Bauplan der Antibiotika-Sauger entschlüsselt

Biochemiker der Goethe-Universität Frankfurt am Main haben nun den Bauplan dieser Pumpen entschlüsselt, so dass sie deren Funktion besser verstehen. „Die Pumpen sind wie Mini-Staubsauger oder eher Antibiotika-Sauger“, erklärt Hi-jea Cha. „Sie sichern das Überleben des Bakteriums, indem sie das Zellinnere von gefährlichen Substanzen frei halten“.

Die Forscher hatten schon früher die Mechanik der Nanomaschine ohne Bindung an ein Antibiotikum analysiert. Mithilfe hoch auflösender Röntgenstrukturanalyse fanden sie in ihrer neuen Studie jetzt heraus, wie die Pumpe die Antibiotika einfängt und aus der Zelle befördert. Das geschieht bei Bakterien mit einer doppelten Zellmembran – Gram-negativ – in der Schicht zwischen äußerer und innerer Membran.

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Pumpe verändert Gestalt

Die Pumpe verändert ihre Gestalt in einem zyklischen Prozess. Im ersten Schritt, der jetzt im Detail sichtbar gemacht wurde, wird das Antibiotikum den Wissenschaftlern zufolge auf dem Weg zum Zellinneren abgefangen und an einer taschenförmigen Bindungsstelle festgehalten.

„Dafür postulieren wir einen Mechanismus ähnlich einer peristaltischen Pumpe: Die Antibiotika-Moleküle werden durch einen Tunnel nach außen gequetscht wie Nahrung durch die Speiseröhre zum Magen, so dass sie nicht zurückrutschen können“, so Professor Klaas Martinus Pos.

Die zweite, viel kräftigere Bindung in einer tiefen Bindungstasche verankere dann das Antibiotikum in der Pumpe. Dies bewirke eine weitere Gestaltveränderung, die einen weiteren Tunnel zur Außenseite öffne und das Antibiotikum endgültig aus der Zelle entlasse.

Schleife als Schaltstelle

Zwischen der ersten und zweiten Bindungstasche haben die Forscher zudem eine kleine Schleife beobachtet, die eine Schaltstelle bildet. Die Position dieser Schleife verändert sich, je nachdem ob das Antibiotikum in der ersten oder in der zweiten Tasche gebunden ist. Die genaue Funktion dieser Schleife wird zurzeit eingehend untersucht. (PNAS, 2012; http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1114944109)

(Goethe-Universität Frankfurt am Main, 02.04.2012 – DLO)

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