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Klima

Schrumpfendes Meereis setzt mehr Schadstoffe frei

Eis gibt Brom an die Atmosphäre ab und löst dort Kettenreaktion aus

Eisschollen in der Arktis © AWI

Das abtauende arktische Meereis setzt mehr giftiges Brom frei und verstärkt die Quecksilberbelastung der Umwelt. Das hat ein internationales Forscherteam herausgefunden. Demnach spielt das junge, noch salzhaltige Meereis dafür eine entscheidende Rolle: Im Gegensatz zum mehrjährigen Eis gibt es vermehrt Brom an die Atmosphäre ab. Dies löst dort eine Kaskade chemischer Reaktionen aus, die sogenannten Bromexplosionen. Sie erzeugen besonders reaktionsfreudige Bromverbindungen., die gasförmiges Quecksilber in eine für die Umwelt schädliche Form umwandeln. Es sinkt auf die Erdoberfläche hinab und kann so in die Nahrungsketten gelangen, wie die Forscher im Fachmagazin „Journal of Geophysical Research – Atmospheres“ berichten.

„Die Veränderungen in der Meereiszusammensetzung haben direkte Auswirkungen auf die Umwelt“, sagt Erstautor Son Nghiem vom Jet Propulsion Laboratory der US-Raumfahrtbehörde NASA in Pasadena. Durch den Klimawandel ist in den letzten Jahrzehnten vor allem das weniger salzige, mehrjährige Meereis der Arktis stark zurückgegangen. Es wird zunehmend durch saisonales Meereis ersetzt. Dieses ist jedoch deutlich salziger, weil die Zeit für Prozesse fehlt, die das Meersalz herausfiltern.

Wie die Forscher feststellten, führt die Kombination von salzigem Eis, sehr kalten Temperaturen und Sonneneinstrahlung zu Reaktionen im Eis, die vermehrt Brom freisetzen. Die sich verändernden Bedingungen der Arktis könnten daher in Zukunft Bromexplosionen häufiger auftreten lassen, vermuten die Forscher. Denn dann sei die Fläche größer, auf der die Brom freisetzenden Reaktionen ablaufen können. Wie viel Quecksilber aufgrund solcher Bromexplosionen in die Umwelt gelangt, müsse allerdings noch weiter untersucht werden, sagen die Wissenschaftler. Eine neue Messkampagne in der Arktis laufe bereits, das sogenannte Brom-, Ozon- und Quecksilber-Experiment der NASA (BROMEX).

Modell einer Bromexplosion in der Atmosphäre über den kanadischen Northwest Territories, das die Barrierewirkung von Gebirgszügen wie hier im Hintergrund den Mackenzie Mountains zeigt; im Vordergrund ist der Gehalt an Brom in der Luft hoch (orange), über dem Gebirge dominieren niedrige Werte (grün und gelb) © NASA/JPL-Caltech/University of Bremen

Brommessungen in der Luft über dem Polarmeer

Bei Messungen mit Satelliten und von Schiffen aus registrierten die Wissenschaftler im Frühjahr 2008 und 2009 besonders viel Brommonoxid über der arktischen Beaufort See. Gleichzeitig sanken die Konzentrationen von Ozon und gasförmigem Quecksilber in der unteren Atmosphärenschicht. Letzteres gilt als ein Zeichen dafür, dass das Quecksilber aus der Atmosphäre auf die Oberfläche ausgefallen ist.

Die Forscher sehen in dieser Entwicklung eine Verbindung zu den gleichzeitig festgestellten Veränderungen im Meereis: „Zur gleichen Zeit unterschritt die Fläche des mehrjährigen Meereises das Rekordminimum von 2007 sogar noch um eine Millionen Quadratmeter“, schreiben die Forscher. In beiden Jahren sei in dieser Gegend mehr saisonales als mehrjähriges Eis zu finden gewesen.

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Bergketten halten atmosphärische Bromschwemme auf

Die Studie zeigte außerdem erstmals genauer, wo in der Atmosphäre sich die Bromexplosionen ereignen: in der Troposphäre, der untersten Schicht. Den Beleg dafür lieferte ein Modell der Luftströmungen: Es zeigte, dass das Brom in der Atmosphäre über dem Polarmeer durch Bergketten entlang der Küsten Alaskas und Kanadas daran gehindert wurde, in das Landesinnere vorzudringen. Da die meisten dieser Bergketten niedriger als 2.000 Meter sind, schlossen die Forscher daraus, dass die Bromexplosionen auf die untere Troposphäre beschränkt sein müssen. (doi:10.1029/2011JD016268)

(NASA/USGS, 21.03.2012 – NPO)

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