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Geowissen

Meere versauern so schnell wie fast noch nie

Ausmaß übertrifft selbst Massenaussterben in den letzten 300 Millionen Jahren

Die vom Klimawandel ausgelöste Versauerung der Ozeane ist einzigartig in den letzten 300 Millionen Jahren: Nie zuvor in diesem Zeitraum sank der pH-Wert des Meerwassers so stark und schnell wie heute. Das haben Forscher bei der Auswertung von hunderten geologischen Studien festgestellt. Die heutige Entwicklung übertreffe selbst die Phasen großer Massenaussterben in der Vergangenheit, bei denen bis zu 95 Prozent aller Meeresbewohner ausstarben. Denn damals hätten sich die Bedingungen nicht annähernd so schnell geändert wie heute, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.

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„Die momentane Rate der Versauerung könnte nie dagewesene geochemische Veränderungen im Ozean auslösen – und bisher völlig unbekannte Auswirkungen auf die Ökosysteme der Meere haben“, warnen Bärbel Hönisch vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University und ihre Kollegen. Die heutige Entwicklung hebe sich klar von vergangenen Ereignissen ab.

Tempo der Versauerung ist das Entscheidende

Besonders gravierend sei die Geschwindigkeit, mit der das Meerwasser heute saurer werde, sagen die Forscher. Denn wenn der pH-Wert schnell – innerhalb von nur Jahrhunderten – falle, verschwinde der Baustoff für Korallen und die Kalkschalen von Muscheln und anderen Meerestieren. Dauere es dagegen hunderttausende von Jahren, wie in der Erdgeschichte meist der Fall, dann könne die Meereschemie dies ausgleichen.

Der pH-Wert der Meere ist allein in den letzten hundert Jahren bereits um 0,1 Einheiten gesunken – auf pH 8,1. Bis zum Ende dieses Jahrhundert soll er nach Prognosen des Weltklimarats IPCC um weitere 0,3 Einheiten auf 7,8 sinken. Bei dem schnellsten vergleichbaren Ereignis in der Vergangenheit, dem thermischen Maximum vor 56 Millionen Jahren, dauerte Vergleichbares dagegen Tausende von Jahren.

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„Wir wissen, dass das Leben auch während der vergangenen Versauerungen nie ganz ausgelöscht wurde – neue Arten ersetzten im Laufe der Zeit die ausgestorbenen“, sagt Hönisch. Aber wenn die CO2-Emissionen so weitergingen wie bisher, könnten viele vertraute Organismen für immer verschwinden – darunter Korallen, Austern und Lachse.

Suche nach Parallelen in der Vergangenheit

Nach Angaben der Forscher ist ihre Studie die erste, die so weit in die Vergangenheit hinein nach Parallelen zur heutigen Versauerung gesucht hat. Bei ihren Auswertungen stießen sie tatsächlich auf mehrere Zeitabschnitte, in denen Temperaturen und Kohlendioxidgehalte der Atmosphäre ähnlich hoch oder sogar höher waren als heute. Auch zu diesen Zeiten löste sich vermehrt Kohlendioxid (CO2) im Meerwasser und machte es saurer.

Eine Versauerung ähnlich der für Ende dieses Jahrhunderts prognostizierten habe es vor rund 250 Millionen Jahren, vor 200 Millionen Jahren und zuletzt während der Warmzeit vor 56 Millionen Jahren gegeben, sagen die Wissenschaftler. Diese Veränderungen hätten damals teilweise gravierende Massenaussterben unter den Meereslebewesen ausgelöst. (Science, 2012; doi: 10.1126/science.1208277)

(Science / dapd, 05.03.2012 – NPO)

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