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Energie

Atomkraftwerke: Schwere Unfälle wahrscheinlicher als angenommen

Greenpeace-Studie belegt, dass Atomaufsichten von mangelhaften Sicherheitsanalysen ausgehen

Atomkraftwerk Brunsbüttel © Alois Staudacher / GFDL

Schwere Unfälle in einem Atomkraftwerk sind erheblich wahrscheinlicher, als Atomaufsichten und Wissenschaft bisher annehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Greenpeace, die gestern in Berlin vorstellt wurde. Diese hat nach Angaben der Umweltschützer gravierende Mängel in der sogenannten „Probabilistischen Risiko-Analyse“ (PRA) aufgedeckt, die unter anderem für die Ermittlung von Unfallrisiken verwendet wird.

„Atomkraftwerke dürfen in Deutschland nur betrieben werden, weil die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Unfall als absolut gering erachtet wird“, erklärt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. „Grundlage dafür ist die PRA. Doch die ist fehlerhaft.“ Die neue Studie wurde vom Beraterbüro cervus nuclear consulting unter der Leitung von Helmut Hirsch erstellt.

Fünf Kernschmelzunfälle in den letzten 30 Jahren

Laut PRA müsste der Zeitabstand zwischen Kernschmelzunfällen in Jahrhunderten zu messen sein. Tatsächlich haben sich laut Greenpeace in den letzten 30 Jahren aber fünf Kernschmelzunfälle ereignet. Entscheidende Unfallszenarien bilde die PRA nur unzureichend oder gar nicht ab. Die Umweltschützer fordern deshalb, die Zahlen dieser Methode im Umgang mit Nuklearanlagen nicht mehr zu verwenden.

Entscheidende Risikofaktoren werden nicht berücksichtigt

Unabhängig von der Katastrophe in Fukushima zeigt die Greenpeace-Studie anhand von fünf Beispielen aus westlichen Atomreaktoren, welche systematische Unterschätzung des atomaren Risikos die PRA beinhaltet. Die Wahrscheinlichkeitsanalysen können die Realität nicht vollständig erfassen. Mehrfachausfälle von Sicherheitssystemen und Alterungsvorgänge in einem Atomkraftwerk werden nach Angaben der Umweltschutzorganisation nur unvollkommen berücksichtigt.

Weitgehend nicht erfasst werde darüberhinaus komplexes menschliches Fehlverhalten. Das gemeinsame Versagen von Betreiber und Aufsichtsbehörde sei aber entscheidend für den schweren Reaktorunfall in Fukushima gewesen. Auch in Tschernobyl waren menschliche Fehler mitverantwortlich für die Katastrophe. Mathematisch sei es zudem unmöglich, Terror- und Sabotagehandlungen in einer PRA zu berücksichtigen, obwohl die Gefahr real sei und beachtet werden müsse.

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Mängel in der Sicherheitskultur

Bei anderen Einwirkungen von außen gibt es Greenpeace zufolge große Unsicherheiten. Zudem könnten weitere wichtige Faktoren grundsätzlich nicht in die PRA einfließen. Dazu gehörten Mängel in der Sicherheitskultur, neue bisher unbekannte physikalische und chemische Phänomene sowie unerwartete Ereignisse.

„Die PRA kann bei einem einzelnen AKW die Sicherheitsmängel aufdecken“, sagt Smital. „Die Gefahr, die der Gesellschaft durch Atomkraft droht, ist aber weitaus größer als die Risiken, die die PRA ermittelt.“ Greenpeace fordert daher einen schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft bis 2015 in Deutschland. Auch im Ausland müsse die Bundesregierung auf ein Ende der Atomkraft dringen.

(Greenpeace, 01.03.2012 – DLO)

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