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Medizin

Chemotherapie bei Schwangeren schadet Ungeborenem nicht

Krebsmedikamente stören weder Wachstum noch Gehirnentwicklung der Kinder

Embryo mit Plazenta © Wei Hsu and Shang-Yi Chiu / CC-by-sa 2.5 US

Eine Chemotherapie während der Schwangerschaft schadet dem Ungeborenen offenbar nicht. Das zeigt eine Studie an 70 Kindern krebskranker Mütter. Die betroffenen Kinder entwickelten sich vollkommen normal: Weder Wachstum noch Intelligenz, Herzfunktion oder Gehör seien aufgrund der Krebsmedikamente gestört, berichtet ein internationales Team von Medizinern im medizinischen Fachblatt „The Lancet Oncology“. Es spreche daher nichts gegen eine Chemotherapie, wenn sie nach dem ersten Drittel der Schwangerschaft verabreicht werde.

Dass die Ungeborenen die Chemotherapie so gut überstanden hatten, führen die Forscher auf die Blut-Hirn-Schranke der Feten zurück: „Das Gehirn ist gut geschützt“, schreiben Frédéric Amant von der Katholieke Universiteit im belgischen Leuven. Außerdem filtere die Plazenta den größten Teil der Medikamente. Ein anderer wichtiger Punkt ist nach Angaben der Forscher aber auch, dass die Krebsbehandlung erst nach der 14. Schwangerschaftswoche begann und daher die Ungeborenen erst nach den kritischen ersten drei Monaten mit den Krebsmedikamenten in Kontakt kamen.

„Wir zeigen, dass Kinder, die vor ihrer Geburt einer Chemotherapie ausgesetzt waren, genauso gut abschneiden wie andere Kinder“, schreiben die Mediziner. Sie hätten nur bei zwei Babys, einem Zwillingspaar, eine Missbildung des Gehirns beobachtet; es sei allerdings gut möglich, dass die Chemotherapie nicht die Ursache dafür gewesen sei. „Trotzdem müssen wir vorsichtig sein, bis eine größere Gruppe von Kindern in längeren Nachfolgeuntersuchungen beurteilt wurde“, heißt es in „Lancet Oncology“. Die Studie läuft noch weiter.

Über mehrere Jahre hinweg beobachtet

Im Mittelpunkt der Langzeitstudie standen 43 Frauen in den Niederlanden, Belgien und Tschechien: Sie mussten aufgrund einer Krebserkrankung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel durchschnittlich drei bis vier Mal Chemotherapie bekommen. Die Forscher untersuchten die Kinder bei der Geburt sowie im Alter von 18 Monaten und fünf Jahren.

27 Kinder und Jugendliche, die als Föten einer Chemotherapie ihrer Mutter ausgesetzt waren und bereits vor Beginn der Studie geboren waren, wurden rückwirkend in die Studie aufgenommen. Die Forscher untersuchten unter anderem Verhalten, Intelligenz, Gedächtnis, Gehör, Herz und den allgemeinen Gesundheitszustand der Kinder mit Tests beziehungsweise Fragebögen.

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Frühgeburten unbedingt vermeiden

Über zwei Drittel der untersuchten Schwangeren brachten ihr Kind vor der 37. Woche und damit als Frühgeburt zur Welt. In den meisten Fällen hätten die Ärzte die Geburt absichtlich so früh herbeigeführt, sagt Frédéric Amant, da sie dachten, es sei das Beste für das Ungeborene. Diese Kinder schnitten in den Tests zur Gehirnfunktion jedoch schlechter ab als die Nicht-Frühchen.

„Der Intelligenzquotient steigt um durchschnittlich 12 Punkte mit jedem zusätzlichen Schwangerschaftsmonat“, schreiben die Forscher. Dieses Phänomen sei bereits aus früheren Untersuchungen bekannt. Es zeige eindrücklich, dass eine verkürzte Schwangerschaft dem Kind mehr schade als eine Chemotherapie der Mutter. „Wir hoffen, diese Studie wird die Ärzte überzeugen, dass die Angst vor einer Chemo kein Grund ist, die Schwangerschaft abzubrechen, eine Frühgeburt herbeizuführen oder die Behandlung der Mutter zu verzögern“, sagt Frédéric Amant. (Lancet Oncology, 2012; doi: 10.1016/S1470-2045(11)70363-1)

(Lancet, 13.02.2012 – BOS)

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