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Neurobiologie

Jugendliche: Gehirn stärker auf Belohnung programmiert

Areal für die Bildung von Gewohnheiten reagiert anders als bei Erwachsenen

Bei Jugendlichen reagiert eine für Entscheidungen und die Bildung von Gewohnheiten zuständige Gehirnregion anders als bei Erwachsenen. Sie ist immer dann besonders aktiv, wenn eine Belohnung oder ein Gefühl der Befriedigung erwartet wird. Das schließen US-amerikanische Forscher aus Versuchen mit Ratten.

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Bei halbwüchsigen Tieren feuerten Nervenzellen im sogenannten dorsalen Striatum in diesen Situationen deutlich stärker und langanhaltender als bei Erwachsenen. Das sei bei menschlichen Jugendlichen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit genauso, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

Drang nach Belohnung prägt Gewohnheiten stärker

„Unsere Studie demonstriert, dass bei Jugendlichen genau die Gehirnregion extrem belohnungsorientiert ist, in der Gewohnheiten gebildet werden“, schreiben David Sturman und Bita Moghaddam von der University of Pittsburgh. Bei Erwachsenen ebbe die Aktivität in dieser Gehirnregion sehr viel schneller ab.

Das könnte auch erklären, warum gerade Jugendliche besonders anfällig für Süchte seien, meinen die Forscher. Möglicherweise präge der Drang nach Belohnung ihre Entscheidungen und Gewohnheiten stärker. Unter Belohnung verstehen die Forscher dabei alles, was das Belohnungssystem des Gehirns aktiviert und so ein Glücksgefühl und tiefe Befriedigung auslöst. Auch die erhöhte Anfälligkeit von Jugendlichen für psychische Störungen könnte auf die festgestellten neuronalen Unterschiede zurückzuführen sein.

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Fundamentale Unterschiede

Nach Ansicht der Wissenschaftler deuten ihre Ergebnisse auf fundamentale Unterschiede zwischen dem Gehirn von Erwachsenen und Jugendlichen hin. Dass Hormone und Botenstoffe die emotionalen und mentalen Reaktionen in der Pubertät verändern, war bereits zuvor bekannt. Jetzt zeige sich aber, dass einige Gehirnbereiche auch anders arbeiteten und möglicherweise anders verschaltet seien, konstatieren die Wissenschaftler.

Das dorsale Striatum sei aber nur eine von vielen miteinander wechselwirkenden Regionen, die zusammen das Verhalten und die Anfälligkeiten im Teenageralter prägten, sagen Sturman und Moghaddam. Ob ähnliche Unterschiede auch in anderen Hirnteilen existierten und wie sie zusammenwirkten, müsse weiter untersucht werden.

Blick ins Gehirn zwischen Aufgabe und Belohnung

Für ihre Studie hatten die Forscher erwachsene und halbwüchsige Ratten darauf trainiert, auf ein Zeichen hin ihren Kopf durch eine Öffnung zu stecken. Dort erhielten sie dann zur Belohnung ein Futterstück. Zuvor waren den Ratten Elektroden ins Gehirn eingesetzt worden. Über diese konnten die Wissenschaftler die Aktivität zweier Gehirnareale, des dorsalen Striatum und des Nucleus accumbens, während dieser Aufgabe beobachten.

Der Nucleus accumbens gilt als entscheidendes Zentrum des Belohnungssystems, in ihm sitzen Botenstoff-Rezeptoren, die das Glücksgefühl erzeugen. Das dorsale Striatum ist dagegen vor allem an Entscheidungen beteiligt, es beeinflusst Handlungen und Gewohnheiten, die auf ein Ziel oder die Befriedigung von Bedürfnissen hin ausgerichtet sind.

Die Aktivität im Nucleus accumbens unterschied sich zwischen den Ratten nicht, wie die Forscher berichten. Deutliche Unterschiede habe es aber im dorsalen Striatum gegeben. Bei den halbwüchsigen Ratten feuerten mehr Nervenzellen vom Startsignal bis zum Fressen des Futters. Bei den Erwachsenen waren weniger Neuronen aktiv. Diese beruhigten sich zudem bereits bevor das Futter in den Trog fiel und damit für die Ratten erreichbar war. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2012; doi: 10.1073/pnas.1114137109)

(Proceedings of the National Academy of Sciences / dapd, 18.01.2012 – NPO)

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