Räuberische Tiere sind ernährungsbewusster als angenommen: Sie achten bei der Auswahl ihrer Beute auf ein Nährstoffverhältnis, das für ihre Fortpflanzung optimal ist. Das hat ein internationales Forscherteam anhand eines fleischfressenden Käfers herausgefunden.
In Laborversuchen vor die Wahl zwischen unterschiedliche Nahrung gestellt, hätten die Käfer jeweils die Beutetiere gefressen, die ihren Protein und Fetthaushalt am besten ausglichen. Eine solche gezielte Auswahl der Nahrung habe man zuvor nur bei Pflanzenfressern und Allesfressern, nicht aber bei Fleischfressern beobachtet, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“.
Räuber wählerischer als gedacht
Bisher nahmen Biologen an, dass Räuber es sich nicht leisten können, wählerisch zu sein. Ihr Hauptziel sei es, so glaubte man, ausreichend Beute und damit Kalorien zu sich zu nehmen. „Wir zeigen nun zum ersten Mal, dass auch Räuber ihre Nahrung danach aussuchen, welche ihnen die richtige Balance von Nährstoffen liefert“, sagt Erstautor Kim Jensen von der University of Exeter in England.
Nach Ansicht der Forscher lässt sich das an den Käfern beobachtete Verhalten auch auf andere Raubtiere übertragen. Die neue Erkenntnis habe damit auch weitreichende Bedeutung für die Struktur von Nahrungsnetzen und den Nährstofffluss in tierischen Lebensgemeinschaften.
Optimales Verhältnis von Fetten und Proteinen angestrebt
Ihre Experimente führten die Forscher mit dem Buntfarbenen Putzläufer (Anchomenus dorsalis) durch. Diese kleine, auch in Deutschland vorkommende Laufkäferart frisst kleinere Insekten wie Blattläuse, Raupen, Käferlarven und Ameisen. In den Versuchen mit freier Nahrungswahl habe sich gezeigt, dass die Käfer dann besonders gut gediehen, wenn sie Fette und Proteine im Verhältnis 1:2 aufnahmen, berichten die Wissenschaftler. Dieses Verhältnis hätten die Tiere in verschiedenen Versuchen immer wieder angestrebt.
In einem der Versuche beschränkten die Forscher die Nahrungsauswahl der Käfer so, dass diese zwar reichlich Proteine, aber zu wenig Fette erhielt. In diesem Fall fraßen die Laufkäfer deutlich mehr als normalerweise. Sie nahmen dabei auch mehr Proteine auf als sie benötigten, um ausreichend Fette zu erhalten.
Weitere Studien nötig
Ein solches Verhalten könne auch bei anderen Raubtieren dazu führen, dass diese mehr Beute jagen und erlegen als eigentlich für ihren Kalorienbedarf nötig. „Das könnte beispielsweise direkt nach dem Winterschlaf passieren, wenn sowohl Räuber als auch Beute erschöpfte Fettreserven haben“, meinen die Forscher. Dann müsste der Räuber den neuen Erkenntnissen nach mehr Beute erlegen, um seinen Fettbedarf zu stillen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, muss nun weiter untersucht werden. (Proceedings of the Royal Society B, 2012; doi:10.1098/rspb.2011.2410)
(Proceedings of the Royal Society B / dapd, 17.01.2012 – NPO)