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Materialforschung

Nie wieder Brille putzen?

Fluorierte Beschichtung aus Silikat wirkt dank kugelförmiger Nanostruktur wasser- und ölabweisend

Sonnenbrille © IMSI MasterClips

Nie wieder Brille putzen, und keine dreckige Windschutzscheibe mehr! Diesem Ziel sind Forscher jetzt ein gutes Stück näher gekommen. Sie haben mithilfe von Kerzenruß eine neue durchsichtige Superbeschichtung aus Glas hergestellt. An dem Überzug perlt dem sowohl Wasser als auch Öl vollkommen ab. Das blieb auch so, als die Forscher die Schicht mit einem Sandstrahl beschädigten. Diese Eigenschaften verdankt das Material seiner Nanostruktur. Derart versiegelte Oberflächen, könnten überall dort zum Einsatz kommen, wo Verunreinigungen oder auch ein Wasserfilm schädlich oder einfach lästig sind.

Doris Vollmer ist es leid, dass ihre Brille immer so schnell verdreckt. Aber die Wissenschaftlerin vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung könnte mit ihrem Team und Kollegen der Technischen Universität Darmstadt nun Abhilfe für das Problem gefunden haben. Eine durchsichtige stark wasser- und ölabweisende Beschichtung, wie sie die Mainzer Forscher nun präsentieren, soll künftig nicht nur Wasser und Schmutz von Brillengläsern und Autoscheiben, sondern auch von den Glasfronten an Hochhäusern fernhalten. Sie könnte zudem in medizinischen Geräten Rückstände von Blut oder verunreinigten Flüssigkeiten verhindern.

Wasser und Öl als kullernde Tropfen

Dabei besteht die Beschichtung im Wesentlichen aus einem denkbar einfachen Material: Silikat, dem Hauptbestandteil von jedem Glas. Das haben die Forscher mit einer fluorhaltigen Silicium-Verbindung überzogen, was die Schicht an sich schon wasser- und ölabweisend wie eine Teflonpfanne macht.

Der eigentliche Clou aber liegt in der Struktur des Überzugs. Durch sie wird das Glas super-wasser- und gleichzeitig super-ölabweisend. In einer so beschichteten Pfanne würden Wasser und Öl nur als Tropfen herumkullern. Die Schicht ist nämlich wie ein schwammartiges Labyrinth völlig ungeordneter Poren gebaut, das aus winzigen Kugeln zusammengesetzt ist.

Eine Oberfläche, an der Öl und Wasser abprallen: Die super-amphiphobe Beschichtung wird nicht einmal von dem dünnflüssigen Öl Hexadekan benetzt, das sich sogar auf Teflon ausbreiten würde. Daher springt ein Tropfen der Flüssigkeit zunächst von der Oberfläche hoch und bleibt schließlich fast vollkommen rund auf ihr liegen. Die super-amphiphoben Eigenschaften werden von einer schwammartige Glasstruktur hervorgerufen, die Forscher am Max-Planck-Institut für Polymerforschung entwickelt haben. © Science / Xu Deng – MPI für Polymerforschung

Kerzenruß als Modell für schwammartige Glasstruktur

„Die runden Oberflächen können selbst durch dünnflüssige Öle nicht benetzt werden, obwohl das energetisch am günstigsten wäre“, erklärt Vollmer. Denn die Flüssigkeiten, die selbst fluorierte Oberflächen benetzen, müssten über die gerade einmal etwa 60 Nanometer großen Kügelchen – ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter –gepresst werden, um einen Film auf der Oberfläche zu bilden. Das kostet zu viel Energie.

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Für praktische Anwendungen empfiehlt sich eine solche Beschichtung nicht zuletzt deshalb, weil sie so leicht herzustellen sind. „Wir können sie sogar in Marmeladengläsern erzeugen“, sagt Vollmer. Und als Modell für die poröse Kugelstruktur diente den Forschern der Ruß einer Kerzenflamme, von dem sie quasi einen Glasabruck machten. Zunächst hielten sie ein Glasplättchen in eine Flamme, so dass die rund 40 Nanometer großen, runden Rußpartikel auf dem Glas eine schwammartige Struktur bildeten.

Diese überzogen sie nun in einem Glasgefäß – wahlweise auch in einem Marmeladenglas – mit Silikat, indem sie eine flüchtige organische Silicium-Verbindung und Ammoniak auf die Rußablagerung dampften. Als sie das Material anschließend erhitzten, zersetzte sich der Ruß. Auf die hohle Silikatstruktur dampften sie schließlich noch die fluorhaltigen Silicium-Verbindung.

Das schwammartige Silikat, der Hauptbestandteil von Glas, erhält seine stark wasser- und ölabweisenden Eigenschaften zum einen durch eine Beschichtung mit einer fluorhaltigen Silicium-Verbindung, zum anderen durch seine Struktur: Es ist quasi aus zahllosen winzigen Kügelchen aufgebaut. Die Kugeloberflächen verhindern, dass das Material von Ölen benetzt wird, auch wenn das energetisch günstiger wäre. © Science / Xu Deng – MPI für Polymerforschung

Benetzungsversuche scheitern

Die Beschichtung versuchten sie dann mit verschiedenen Flüssigkeiten zu benetzen. Aber das gelang ihnen nicht einmal, als sie darauf aus großer Höhe Hexadekan tropfen ließen, das sich auf einer Teflonpfanne ausbreitet wie Wasser im Waschbecken. „Ein Tropfen des Öls drang zunächst in die schwammartige Struktur ein, sprang dann aber wie ein Flummi wieder hoch“, erklärt Vollmer. Dabei blieb zwar ein Teil der Flüssigkeit in den Poren zurück und benetzte das Material.

Als der größere Teil des Tropfens nach dem Auftitschen aber mit geringerem Tempo zurück auf die Oberfläche viel, zog er den zurückgebliebenen Teil des Hexans wieder aus den Glasporen. Schließlich blieb der wiedervereinigte Tropfen wie ein Ball auf der Oberfläche liegen (siehe Video). Auch keine andere der insgesamt sieben Flüssigkeiten, mit denen die Mainzer Forscher die super-amphiphobe Schicht testeten, saugte der Glasschwamm auf.

Systematische Suche nach selbstreinigenden Beschichtungen

„Da das Material so wasser- und ölabweisend ist, würde es sich als selbstreinigende Beschichtung für zahlreiche Anwendungen eignen“, sagt Hans-Jürgen Butt vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung, in der Vollmers team arbeitet. Und selbst wenn ein Teil der Schicht abgetragen wird, bleibt die Glasstruktur super-amphiphob. Denn sie ist in ihrem Inneren genauso aufgebaut wie an ihrer Oberfläche. Erst wenn sie dünner als ein Mikrometer wird, verliert sie ihre selbstreinigenden Eigenschaften.

Genau das dürfte derzeit in der Praxis noch recht bald passieren, selbst wenn die selbstreinigende Schwammstruktur ein Brillenglas oder eine Fensterscheibe mehrere Mikrometer dick einhüllt. Denn als die Mainzer Forscher Sand auf die filigrane Glasstruktur rieseln ließen, wurde der Überzug recht schnell abgerieben. „In einem nächsten Schritt möchten wir daher eine Schicht entwickeln, die super-amphiphob und mechanisch stabiler ist“, sagt lmer.

Versuch und Irrtum

Die Forscher wollen anhand solcher Beschichtungen aber auch mehr über die Faktoren herausfinden, die entscheiden, wie gut ein Material Wasser und Öl abstößt. „Wir kennen diesen Zusammenhang bislang noch nicht im Detail“, so Butt. „Die Suche nach super-amphiphoben Materialien läuft daher mehr oder weniger über Versuch und Irrtum.“ Sobald die Forscher systematisch verstehen, warum eine Flüssigkeit eine Oberfläche benetzt oder nicht, könnten Industrieunternehmen gezielt selbstreinigende Beschichtungen für Anwendungen in Architektur, Optik oder Medizin entwickeln. (Science Express, 2011)

(MPG, 05.12.2011 – DLO)

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