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Physik

„Lebensdauer“ von Elektronen in Graphen bestimmt

Forscher legen neue Erkenntnisse zu den grundlegenden physikalischen Eigenschaften des Materials vor

Untersuchung von Graphen mit dem Freie-Elektronen-Laser am HZDR © AlexanderAIUS/Wikipedia und HZDR

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat einen wichtigen Baustein zum Verständnis des Materials Graphen hinzugefügt: Die Forscher konnten erstmals die Lebensdauer von Elektronen in Graphen in niedrigen Energiebereichen bestimmen. Dies ist für die künftige Entwicklung schneller Transistoren und Detektoren zur optischen Datenübertragung von großer Bedeutung, schreiben sie in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“.

Spätestens seitdem die Entdeckung von Graphen im vergangenen Jahr mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet wurde, arbeiten viele Forschergruppen weltweit daran, die grundlegenden physikalischen Eigenschaften des Materials besser zu verstehen und damit zukunftsträchtige elektronische und optoelektronische Anwendungen zu ermöglichen.

Graphen – eine einlagige Kohlenstoffschicht, deren Atome wie in einer Bienenwabe sechseckig angeordnet sind – ist zudem als transparentes Elektrodenmaterial für Flachbildschirme und Solarzellen hochinteressant. Es könnte laut Stephan Winnerl vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) auf diesem Einsatzgebiet das knappe Hochtechnologiemetall Indium ersetzen.

Wie lange leben Elektronen in Graphen?

Winnerl und seinen HZDR-Kollegen ist es nun gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin, des Grenoble High Magnetic Field Laboratory und des Georgia Institute of Technology, USA, gelungen, die „Lebensdauer“ von Elektronen in Graphen in niedrigen Energiebereichen zu bestimmen, die bisher nicht erforscht waren.

Das für Festkörper charakteristische Verhalten der Elektronen in bestimmten Energiebereichen ist eine von vielen physikalischen Eigenschaften, in denen sich Graphen fundamental von den meisten anderen Materialien unterscheidet: normalerweise können Elektronen nur bestimmte Energieniveaus annehmen – man spricht von Energiebändern -, andere wiederum nicht. Letztere werden als Energielücken bezeichnet.

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Dieses Prinzip wird beispielsweise für optoelektronische Bauteile wie Leuchtdioden genutzt, die Licht ganz bestimmter Wellenlängen abstrahlen: dabei wird Energie frei, die die Elektronen beim „Überspringen“ der Energielücken abgeben.

Graphen verhält sich anders

Graphen verhält sich den Wissenschaftlern zufolge anders als andere Halbleiter: hier berühren sich die Energiebänder, ohne dass eine Lücke auftritt. Statt Licht abzugeben besitzt Graphen die Fähigkeit, Strahlung niedriger Energien unterhalb des sichtbaren Spektrums, wie Terahertz- und Infrarotlicht, zu absorbieren, sodass es sich bestens als Material für Detektoren eignet.

Um neue schnelle elektronische und optoelektronische Bauteile auf Basis von Graphen entwickeln zu können, muss genau bekannt sein, wie lange Elektronen auf bestimmten Energieniveaus verweilen. Zur Untersuchung solcher Prozesse, die sich im Pikosekundenbereich abspielen, also auf einer Zeitskala von einem Millionstel Teil einer Millionstel Sekunde, sind sehr schnelle Beobachtungsmethoden notwendig, so die Forscher.

Graphen mit längerwelligem Licht bestrahlt

Das Besondere der am Dresdner Helmholtz-Zentrum durchgeführten Experimente liegt darin, dass die Physiker Graphenproben erstmals mit längerwelligem Licht als bisher bestrahlt haben. Möglich wurde dies durch die kurzen Strahlungspulse aus dem Freie-Elektronen-Laser (FEL) am HZDR. Dadurch konnten die Forscher die Lebensdauer der Elektronen in der Nähe des Berührungspunktes der Energiebänder, der die physikalische Besonderheit von Graphen ausmacht, untersuchen.

Mithilfe des FEL regten die Forscher die Graphenproben mit Licht unterschiedlicher Wellenlängen im Infrarotbereich an. Sie stellten fest, dass die Energie der Lichtteilchen, mit denen die Elektronen stimuliert werden, und die Schwingungen des Atomgitters die Lebensdauer der Elektronen beeinflussen: wenn die Energie der Lichtteilchen größer ist als die Energie der Gitterschwingungen, ändern die Elektronen schneller ihren Energiezustand und haben eine kürzere Lebensdauer. Umgekehrt verweilen die Elektronen länger auf einem Energieniveau, wenn die Anregungsenergie kleiner ist als die der Gitterschwingungen.

Modellrechnungen bestätigen Ergebnisse

Die experimentell gewonnenen Ergebnisse werden durch Modellrechnungen an der Technischen Universität (TU) Berlin untermauert. Diese erlauben eine klare Zuordnung der experimentellen Daten zu physikalischen Mechanismen in Graphen. Die Forscher tragen somit zu einem besseren Verständnis der elektronischen und optischen Eigenschaften von Graphen bei. (Physical Review Letters, 2011; DOI: 10.1103/PhysRevLett.107.237401)

(Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, 02.12.2011 – DLO)

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