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Biologie

Antibiotika im Tierfutter aktivieren genübertragende Viren

Gentransfer erhöht die Gefahr der Resistenzverbreitung

Forscher haben eine weitere bedenkliche Wirkung von Antibiotika in Tierfutter entdeckt: Die Arzneimittel aktivieren Viren im Darm der Tiere, die Gene von einem Darmbakterium zu anderen übertragen. Dadurch werden auch vermehrt Gene übertragen, die die Mikroben resistent gegen Antibiotika machen. Die Aktivierung dieser Viren könne daher erheblich zur Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen beitragen, warnen die Wissenschaftler im Fachmagazin „mBio“.

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Dass Darmbakterien von Nutztieren wie Schweinen oder Geflügel vermehrt Resistenzen bilden, wenn die Tiere mit Antibiotika gefüttert werden, ist bereits länger bekannt. Jetzt allerdings zeigt sich, dass auch bestimmte Viren eine wichtige Rolle spielen, wie die Forscher berichten. Ein großer Teil der genetischen Information werde im Darm nicht direkt über die Bakterien ausgetauscht, sondern durch diese sogenannten Prophagen.

Prophagen sind in ihrem Ruhezustand wenig mehr als ein kleines Stück DNA im Erbgut der Bakterien. Werden sie jedoch aktiviert, mutieren sie zum vollwertigen Virus, dem sogenannten Phagen: Sie vermehren sich explosionsartig in der Zelle und brechen dann in großer Zahl aus ihr hervor. Anschließend können die Phagen in andere Bakterien eindringen und ihre genetische Information in deren Erbgut einschleusen.

Mehr freie Phagen nach Antibiotikafütterung

„Welchen Effekt Antibiotika auf Prophagen und ihr Verhalten haben, haben wir erst jetzt zum ersten Mal untersucht“, schreiben die Forscher. Es zeige sich, dass die Arzneistoffe den Aktivierungsprozess der Prophagen fördern. Im Darm von Schweinen, die Antibiotika bekamen, habe man signifikant mehr freigesetzte Phagen gefunden als bei antibiotikafrei gefütterten Schweinen.

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„Das ist bedeutsam, denn von Phagen weiß man, dass sie auch Gene für Antibiotikaresistenzen übertragen“, sagt Leitautorin Heather Allen vom National Animal Disease Center (NaDC) des US-Landwirtschaftsministeriums. Wenn sich durch die Phagenaktivität die Resistenzgene stärker ausbreiten, wachse die Gefahr, dass diese Gene auch auf Krankheitserreger des Menschen übertragen werden. „Es erhöht die Chance für den Transfer eines Gens, das dann zur falschen Zeit an den falschen Ort gelangt“, sagt Allen.

Ständiger Kontakt mit Antibiotika kann Mikroben resistent machen

In Futtermitteln dienen Antibiotika in erster Linie als Mastbeschleuniger. Sie lassen die Tiere schneller wachsen und machen sie schneller schlachtreif. In der EU ist es seit 2006 verboten, mit Antibiotika versetzte Futtermittel zu verfüttern. Damit soll die Bildung von Resistenzen verhindert werden. Denn die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, je häufiger und länger Bakterien mit einem Antibiotikum in Kontakt kommen. Erst Mitte November 2011 zeigte sich jedoch, dass mehr als 95 Prozent des in Deutschland produzierten Geflügelfleischs dennoch Antibiotika enthalten.

Schweine erhielten Dauertherapie mit Antibiotika

Für ihre Studie hatten die Forscher Schweine untersucht, die über längere Zeit niedrige Dosen von Antibiotika über das Futter bekamen. Beigemischt waren dem Tierfutter zwei in den USA gängige Antibiotika. Mittels Genanalyse stellten die Wissenschaftler fest, wie aktiv die Prophagen im Darm der Tiere waren und welche Gene sie transportierten.

Wie die Forscher berichten, änderte sich der Anteil der Resistenzgene in den von den Phagen übertragenen DNA-Stücken nicht. Dafür stieg die Anzahl der aktiven Phagen. Dadurch seien insgesamt mehr Gene übertragen worden und damit letztlich auch mehr Gene, die Bakterien Resistenz gegen Antibiotika verleihen, sagen die Wissenschaftler. (mBio, 2011; doi:10.1128/mBio.00260-11)

(mBio / dapd, 29.11.2011 – NPO)

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