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Biologie

Paracetamol: Rätsel um Wirkmechanismus gelöst

Abbauprodukte des Schmerzmittels verändern Sensor im Rückenmark

Forscher haben erstmals aufgeklärt, worauf die schmerzlindernde Wirkung von Paracetamol beruht: Das frei verkäufliche und häufig eingesetzte Arzneimittel hemmt die Schmerzweiterleitung direkt im Rückenmark. Zwei Abbauprodukte des Paracetamols veränderten dort die Aktivität eines entscheidenden Schmerzsensor-Proteins, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“.

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„Seit der Entdeckung von Paracetamol vor mehr als einem Jahrhundert war sein Wirkmechanismus ein Rätsel“, schreiben Studienleiter Edward Högestätt von der Universität Lund in Schweden und seine Kollegen. Es habe zwar bisher bereits Vermutungen darüber gegeben, dass das Schmerzmittel im Rückenmark wirke, aber erst jetzt sei es gelungen, dies nachzuweisen.

In Versuchen mit Mäusen identifizierten die Wissenschaftler das sogenannte TRPA1-Protein im Rückenmark als entscheidende Ansatzstelle. Fehlte den Tieren dieses Schmerzsensor-Protein, wirkte das Paracetamol bei ihnen nicht. Sie zogen ihre Pfoten genauso schnell von einer heißen Platte wie Mäuse ohne Schmerzmittel. Tiere mit intaktem Sensor reagierten dagegen erst viel später auf den Hitzereiz, wenn sie zuvor Paracetamol erhalten hatten.

TRPA1 mit entscheidender Rolle

„Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass TRPA1 erforderlich ist, um die schmerzsenkende Wirkung von Paracetamol auszulösen“, schreiben Högestätt und seine Kollegen. Diese Rolle des Sensors habe sich in Experimenten mit Rückenmarks-Zellkulturen vom Menschen bestätigt.

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Die Entdeckung des Wirkmechanismus von Paracetamol eröffnet nach Ansicht der Forscher auch die Chance auf neue Schmerzmittel. Denn nun könne man gezielt nach anderen, schonenderen Wirkstoffen suchen, die ebenfalls am Sensor TRPA1 ansetzen. Paracetamol schädigt bei zu hoher Dosierung die Leber und kann sogar zu tödlichem Leberversagen führen, daher werden unschädlichere Alternativen gesucht.

Keine Wirkung lokal an der Schmerzstelle

In ihren Versuchen an Mäusen hatten die Forscher festgestellt, dass Paracetamol nur dann wirkte, wenn es sich über das Blut im gesamten Körper ausbreiten konnte oder wenn es direkt in den Rückenmarkskanal gespritzt wurde. „Wir fanden keine Wirkung, wenn das Paracetamol nur lokal an der Stelle der Schmerzentstehung blieb“, schreiben die Forscher. Das habe den ersten Hinweis geliefert, dass das Rückenmark eine entscheidende Rolle spiele.

In weiteren Zellkultur-Experimenten und Analysen fanden die Wissenschaftler auch heraus, dass nicht das Paracetamol selbst auf den TRPA1-Sensor im Rückenmark wirkt. Stattdessen seien es zwei Abbauprodukte des Schmerzmittels, die mit dem Sensor reagierten, berichten Högestätt und seine Kollegen. Diese beiden Moleküle entstünden erst im Rückenmark durch Enzyme, die das Paracetamol zerlegen.

Gaben die Forscher diese beiden Abbauprodukte in Zellkulturen mit Rückenmarkszellen von Mäusen und Menschen, reagierte der TRPA1-Sensor. Keine Veränderungen habe man dagegen festgestellt, wenn man Paracetamol und ein drittes Abbauprodukt hinzufügte. (Nature Communications, 2011; doi:10.1038/ncomms1559)

(Nature Communications / dapd, 23.11.2011 – NPO)

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