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Paläontologie

Milbe als blinder Passagier im Bernstein

Winziges Tier war am Kopf einer fossilen Spinne festgesaugt

Mikroskopische Aufnahme einer in 49 Millionen Jahre altem Bernstein konservierten Spinne, auf deren Kopf - als kleiner Fleck erkennbar - eine Milbe sitzt. © Universität Manchester

In einem 49 Millionen Jahre alten Bernstein haben Forscher eine seltene Entdeckung gemacht: Eine winzige Milbe, die sich am Kopf einer Spinne festgesaugt hat. Dreidimensionale Computertomografie-Aufnahmen zeigen unter anderem, dass die Milbe sich mit einem kleinen Saugnapf an der Spinne festhält. „Mit gerade einmal 176 Mikrometern Länge ist dies das kleinste in Bernstein konservierte fossile Gliedertier, das jemals mittels Computertomografie gescannt worden ist“, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Biology Letters“. Die 3D-Bilder ermöglichten es, auch die für die Bestimmung wichtigen Strukturen an der Unterseite der Milbe sichtbar zu machen.

Nach Angaben der Forscher ist der Saugnapf der Milbe kein Anzeichen dafür, dass das Tier parasitisch lebte. Stattdessen gehöre es zu einer Milbengruppe, die noch heute größere Tiere als Transportvehikel nutzen. Diese Milben ernähren sich gewöhnlich von Bakterien, beispielsweise aus feuchtem, vergammelndem Pflanzenmaterial. Wird die Nahrung knapp oder trocknet das Pflanzenmaterial aus, siedeln die Tiere um. Dafür heften sich die mit einem Saugnapf an den Transport angepassten Milben-Jungstadien an größeren Gliedertieren fest und werden von diesen als „Blinde Passagiere“ mitgenommen. An einem günstigeren Ort angekommen, lassen sich die Milben fallen.

Mikrotomografische Aufnahme der im Bernstein entdeckten, auf der Spinne sitzenden Milbe. © Universität Manchester

Milbe sitzt auf einer Spinne

„Unsere fossile Milbe mit ihren Relikten des Saugnapfs und auf der Spinne sitzend, liefert uns nun einen Anhaltspunkt, ab wann dieses Verhalten in der Evolution bereits ausgeprägt war“, berichten Jason Dunlop vom Museum für Naturkunde der Humboldt Universität Berlin und seine Kollegen. Das Milben schon vor 49 Millionen Jahren auf anderen Tieren mitreisten zeige, dass dieses Verhalten geologisch gesehen schon sehr alt sei.

Ungewöhnlich sei allerdings, dass die Milbe eine Spinne als Transporteur genutzt habe, sagen die Forscher. Moderne Vertreter dieser Milbengruppe ließen sich normalerweise von Insekten oder Tausendfüßlern mittragen.

Mikrotomografische Aufnahme der Unterseite der fossilen Milbe; an ihr erkannten die Fachleute Reste eines Saugnapfes. © Universität Manchester

Detail-Aufnahme dank modernster Tomografie-Technik

Obwohl Milben weltweit und in nahezu allen Lebensräumen vorkommen, findet man sie nur selten in Fossilien. Meist sind diese Fossilien zudem zu klein, um ausreichend Details sichtbar machen zu können. Die hochauflösenden Aufnahmen der Milbe gelangen daher nur mit modernsten computertomographischen Methoden.

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Die Forscher nutzten für ihre Studie einen speziellen Mikrotomografen der University of Manchester. „Die Schwierigkeiten bei der Untersuchung waren, dass das Tier weniger als 0,2 Millimeter lang ist, dass es fest auf dem Kopf eines anderen Fossils – in dem Fall dem Haupt einer Spinne – sitzt und dass es im Bernstein eingeschlossen ist“, sagt Dunlop.

Trotz dieser Hindernisse gelang es den Forschern, hochauflösende 3D-Bilder und eine Videosequenz der Milbe zu erzeugen. Anhand dieser Bilder habe man erkennen können, dass es sich um ein Milben-Jugendstadium handele. „Mit ihrer geringen Größe ist unser Fossil um fast eine Größenordnung kleiner als alle bisher abgebildeten Milben und Spinnen“, schreiben die Forscher. Das Tier sei so klein, dass es keine Luftröhren zum Atmen benötige. Stattdessen habe sie den Sauerstoff einfach über die Haut aufgenommen. (Biology Letters, 2011; DOI: 10.1098/rsbl.2011.0923)

(Biology Letters / Museum für Naturkunde / dapd, 10.11.2011 – NPO)

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