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Medizin

Forscher legen ganze Virenfamilie lahm

Breitspektrum-Ansatz hemmt Vermehrung von SARS & Co

Christian Drosten und Sabie Gläsker arbeiten im Sicherheitslabor am SARS-Erreger. © Lannert / Uni Bonn

Wissenschaftler haben einen neuartigen Ansatz gefunden, wie sich im Körper auf einen Schlag verschiedene Viren bekämpfen lassen. Die gefährlichen Krankheitserreger nutzen bestimmte Proteine ihrer Wirte, um sich zu vermehren. An dieser Stelle greift der neue Breitspektrum-Ansatz ein: Er unterbricht diese Signalkette, ohne den Körperzellen zu schaden. Die Wirksamkeit dieser Methode zeigten die Forscher nun an Zellkulturen von Menschen und Tieren. Das berichten sie in der Fachzeitschrift „PlosPathogens“.

Seit langem gibt es Breitspektrum-Antibiotika, die zugleich gegen mehrere bakterielle Erreger wirken. Von solchen Wirkstoffen konnten Virologen bislang nur träumen. Denn bislang fehlen noch Präparate, die gleichzeitig gegen mehrere virale Erreger wirken.

„Alle bislang erhältlichen antiviralen Medikamente nehmen direkt den Erreger ins Visier“, berichtet Professor Christian Drosten vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn. „Da die Erreger sehr unterschiedlich sind, können diese Präparate nur gegen bestimmte Viren vorgehen.“ Viren sind aber sehr wandlungsfähig, die Waffen zwischen Erreger und Mensch deshalb sehr ungleich verteilt: Was gegen ein Virus hilft, ist bei einem anderen nutzlos.

SARS-Virus beflügelt Forschung

Gerade das SARS-Virus, das die Welt im Jahr 2003 an den Rand einer Pandemie brachte, beflügelt nun die Erforschung neuer antiviraler Medikamente. Erst kürzlich trat man den Nachweis an, dass nicht nur chinesische, sondern auch europäische Fledermäuse den SARS-Erreger tragen.

„Anders als bei der Vogelgrippe kann man diese Wildtiere aber nicht einfach töten, um den Erreger auszurotten“, sagt Drosten. „Das wäre ökologisch katastrophal, außerdem leben Fledermäuse im Verborgenen.“ Will man Medikamente auch gegen Erreger entwickeln, die sich „noch“ in Tierreservoiren befinden, muss man neue Wege gehen.

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Methode stoppt Vermehrung einer ganzen Virusfamilie

Die Forscherteams um Drosten und Albrecht von Brunn vom Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München haben nun einen Weg gefunden, gleich einer ganzen Virusfamilie die Vermehrung in Körperzellen die Grundlage zu entziehen. Hierzu untersuchten sie, an welche Wirtsproteine die Proteine des SARS-Erregers binden. Die Wissenschaftler entdeckten dabei einen zellulären Stoffwechselweg, den nicht nur das SARS-Virus, sondern auch eine ganze Reihe von verwandten Viren bei Mensch und Haustier für die eigene Vermehrung verwendet.

„Es handelt sich dabei um einen Signalweg, der das Immunsystem steuert“, berichtet Drosten. „Wir haben einen Ansatz gefunden, wie wir eines der Proteine in dieser Signalkette hemmen können, wodurch die Vermehrung der Viren unterbunden wird.“ Wirkstoffe, die in diesen Stoffwechselweg eingreifen, haben somit Breitbandwirkung. Damit lassen sich nicht nur der SARS-Erreger, sondern auch eine ganze Palette menschlicher Schnupfenviren und die Erreger von inneren Krankheiten des Huhnes, des Schweins und der Katze in ihrer Vermehrung hemmen. Die Wirtszellen nehmen durch die Proteinblockade keinen Schaden, weil parallel weitere Signalwege existieren, die zur Kompensation einspringen.

Erste Tests erfolgreich

Die Hemmung der Virenvermehrung ist kein Zufallstreffer. Die Münchner Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt, wie sich systematisch verschiedene Eiweiße als potenzielle Ansatzpunkte überprüfen lassen. „Damit sich ein Virus im Körper eines Tieres oder eines Menschen vermehren kann, muss es an ein Protein anhaften“, berichtet von Brunn.

„Wir haben mit einem automatischen Hochdurchsatzverfahren systematisch verschiedene Protein-Viren-Kombinationen als potenzielle Ansatzpunkte für Hemmstoffe getestet. Damit ist uns gleichzeitig der Beweis gelungen, dass eine breite Suche nach zellulären Ansatzpunkten neue Wirkprinzipien identifizieren kann, die dann auch wirklich einen nachweisbaren Effekt gegen Viren haben“, sagt von Brunn.

Die Wissenschaftler zeigten anhand von Zellkulturen, dass ihr Ansatz funktioniert. „Es wird aber noch Jahre dauern bis wir wissen, ob sich diese Ergebnisse auf Therapien für den Menschen übertragen lassen“, sagt Drosten. Die Studie zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit in Forschungsverbünden ist. „Allein hätte das keines der beteiligten Teams zuwege gebracht“, ist Drosten überzeugt. (PLoS Pathogens, 2011; doi:10.1371/journal.ppat.1002331)

(Universität Bonn, 31.10.2011 – DLO)

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