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Biologie

Rotkehlchen half West-Nil-Virus bei der Ausbreitung

Forscher rekonstruiert Übertragungswege der Epidemie auf dem amerikanischen Kontinent

West Nil Viren © CDC

Das amerikanische Rotkehlchen hat sich als besonders effektiver Seuchenüberträger erwiesen: Der vor allem in Menschennähe vorkommende Singvogel trug entscheidend dazu bei, das West-Nil-Virus in Nordamerika zu verbreiten. Das berichtet ein US-amerikanischer Forscher im Fachmagazin „Science“. Bisher sei nicht bekannt gewesen, welche Vogelarten besonders häufig Träger dieses Krankheitserregers sind. Das West-Nil-Virus wird durch den Stich infizierter Mücken übertragen.

Malm Kilpatrick von der University of California in Santa Cruz hat erstmals rekonstruiert, auf welchen Wegen sich das Virus über den amerikanischen Kontinent ausgebreitet hat. Die Vogelseuche, an der auch Menschen erkranken können, war 1999 erstmals in New York City aufgetreten. Seither sind Millionen von Vögeln, aber auch mehrere hundert Menschen in Nordamerika an der von Stechmücken übertragenen Viruserkrankung gestorben.

„Wir wissen jetzt, dass für die Übertragung nur eine oder zwei Arten von Stechmücken eine große Rolle spielen und nur eine Handvoll von Vogelarten“, sagt Kilpatrick. Diese kämen besonders häufig in Lebensräumen vor, die durch menschlichen Einfluss verändert wurden. Das Rotkehlchen sei dabei sogar eine Art „Super-Überträger“. Die das Virus übertragenden Mückenarten stächen bevorzugt Rotkehlchen, selbst wenn andere Vogelarten wie beispielsweise Hausspatzen, deutlich häufiger seien.

Zusammenspiel von Virus, Mücken, Vögeln und Menschen kaum untersucht

Für Gebiete außerhalb Nordamerikas sei das genaue Zusammenspiel von Virus, Mücken, Vögeln und dem Menschen dagegen noch kaum untersucht, sagt Kilpatrick. Aus Ägypten wisse man, dass Nebelkrähen und Hausspatzen besonders häufig mit dem West-Nil-Virus infiziert seien. Inwieweit aber auch in Europa Rotkehlchen und andere in Menschennähe lebende Vogelarten zu einem Reservoir für das Virus werden könnten, müsse erst noch untersucht werden.

Die genaue Kenntnis der Übertragungswege sei wichtig auch für die Vorbeugung gegen zukünftige Epidemien. „Die speziellen Ernährungsgewohnheiten der Moskitos spielen eine wirklich wichtige Rolle für die Übertragung – und dies gilt für auch für viele andere Infektionskrankheiten“, sagt der Biologe. Wenn man die Überträger-Mücken und die von ihnen bevorzugten Wirte kenne, könne man solche Epidemieverläufe besser vorhersagen und verhindern.

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West-Nil-Fieber auch in Europa

Auch in Europa breitet sich das West-Nil-Virus allmählich aus: Wie das Robert-Koch Institut berichtet, häuften sich im Sommer 2010 erstmals Krankheitsfälle in Nordgriechenland und in der Türkei. In Deutschland habe es bisher aber nur Fälle von einschlepptem Fieber gegeben, eine Infektion durch einen in Deutschland erfolgten Mückenstich sei nicht bekannt.

In Deutschland wurden bislang auch keine Hinweise auf infizierte Vögel oder Mücken gefunden, wie Experten des Robert-Koch-Instituts berichten. Da die übertragenden Mücken warmes, feuchtes Klima bevorzugen, könnte sich dies mit dem Klimawandel aber möglicherweise ändern.

Ähnliches vermutet Kilpatrick auch für die USA. Dort sinke die Zahl der Fälle seit 2003. Ob dieser Trend aber weiter anhalten werde, sei nicht klar. „Wir wissen noch nicht, wie viel der jährlichen Schwankungen durch klimatische Bedingungen oder andere Faktoren wie eine zunehmende Immunität bei Vögeln und Menschen erklärt werden können“, sagt Kilpatrick. Es könne aber durchaus sein, dass die Seuche wieder an Fahrt gewinne, wenn das Klima wärmer und feuchter und damit für Stechmücken günstiger werde.

Infektion beim Menschen kann sehr unterschiedlich verlaufen

Eine Infektion mit dem West-Nil-Virus verläuft meist ohne Symptome. In einigen Fällen treten Fieber und grippeähnliche Beschwerden auf. Befällt das Virus das Gehirn, kann es dort schwere, manchmal tödliche Entzündungen auslösen. Dies ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei jeder 150. infizierten Person der Fall.

Angesteckt wird der Mensch meist über Mückenarten der Gattung Culex, zu denen auch die in Deutschland vorkommende Gemeine Stechmücke gehört. Diese Mückenarten stechen vorwiegend Vögel und saugen nur zu rund 15 Prozent Blut vom Menschen. Trug einer der zuvor gestochenen Vögel das Virus in sich, überträgt die Mücke es beim Stich auch an den Menschen. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1201010)

(Science / dapd, 21.10.2011 – NPO)

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