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Neurobiologie

Computer erzeugt Sinneseindrücke im Affenhirn

Forscher entwickeln erste in beide Richtungen funktionierende Schnittstelle

Mit Hilfe einer neu entwickelten Schnittstelle kann ein Rhesusaffe nicht nur einen virtuellen Arm bedienen, sondern über diese auch Sinneseindrücke - beispielsweise über die Oberflächenstruktur eines virtuellen Objekts (rund) - empfangen. © Katie Zhuang

Forscher haben erstmals eine Verbindung zwischen dem Gehirn eines Affen und einer Maschine geschaffen, über die in beide Richtungen Daten ausgetauscht werden. Wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten, gelang es den Rhesusaffen damit nicht nur, einen virtuellen Arm zu steuern. Sie konnten mit diesem Computerarm auch die Oberflächenstruktur von Objekten ertasten. Der Computer erzeugte den Sinneseindruck per Kabelverbindung direkt im Gehirn der Tiere.

„Dies ist die erste Demonstration einer Körper-Maschine-Schnittstelle, die eine direkte, in beide Richtungen funktionierende Verbindung zwischen dem Gehirn und einem virtuellen Körper schafft“, sagt Studienleiter Miguel Nicolelis von der Duke University. Prothesen und andere Geräte, die durch Gehirnsignale gesteuert werden, gebe es bereits. Jetzt aber sei es erstmals gelungen, dem Gehirn mittels direkter Elektrostimulation einen Sinneseindruck zurückzuspielen.

Nach Ansicht der Forscher könnte diese Technologie schon in ein paar Jahren gelähmten Patienten zu einem ganz neuen und autonomeren Leben verhelfen. „Eines Tages in der nahen Zukunft werden Gelähmte mittels dieser Technik nicht nur Arme und Beine wieder bewegen und gehen können, sondern auch die Oberflächenstruktur von Gegenständen erfühlen oder die Unebenheiten des Terrains, über das sie mit Hilfe eines robotischen Außenskeletts laufen werden“, prognostiziert Nicolelis.

Über die Schnittstelle Gehirn-Computer konnten Rhesusaffen einen virtuellen Arm (weiß) steuern und über diesen Sinneseindrücke empfangen, dadurch erzeugte ihr Gehirn das Gefühl, sie würden reale Objekte (grün) ertasten. © Katie Zhuang

Elektrodenverbindung zwischen Gehirn und Computer

Für die neu entwickelte Schnittstelle verbanden die Forscher bei zwei Rhesusaffen das Muskel-Steuerungszentrum des Gehirns über implantierte Elektroden mit einem Computer. Zunächst über einen Joystick, später nur noch über diese Elektrodenverbindung steuerten die Versuchstiere einen auf dem Bildschirm sichtbaren virtuellen Arm. Auf dem Bildschirm waren neben dem Arm drei runde, gleich aussehende Forme zu sehen.

Weitere Drähte führten vom Computer zurück zu der Gehirnregion des Affen, in der Tast-Sinnesreize verarbeitet werden. Wenn die Affen mit dem virtuellen Arm auf eines der Bildschirmobjekte zielten, sendete der Rechner ein elektrisches Signal zurück an ihr Gehirn.

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Das Signal war je nach Objekt unterschiedlich: Eines der Objekte erzeugte längere Pulse der Frequenz von zehn Hertz, eines kürzere Pulse von fünf Hertz, das dritte sendete gar keine elektrischen Signalmuster. Die Affen erhielten immer dann eine Belohnung, wenn sie mit dem virtuellen Arm das Objekt mit dem fünf-Hertz-Signal berührten.

In dem Versuch sendete jedes der drei gleich aussehenden virtuellen Objekte (rot-violett) unterschiedliche Muster elektrischer Impulse an das Gehirn der Affen; für das Tier entstand der Sinneseindruck verschieden strukturierter Oberflächen. © Katie Zhuang

Nutzung der Schnittstelle selbst für Affen leicht lernbar

Die Versuchstiere hätten es sehr schnell gelernt, die Aufgabe mit Hilfe der Schnittstelle zu meistern, berichten die Forscher. Einer der Affen habe nur vier, der andere neun Versuche benötigt, bis er lernte, nur nach dem gewünschten Objekt zu greifen. „Dieser bemerkenswerte Erfolg der nichtmenschlichen Primaten ist es, der uns glauben lässt, dass Menschen diese Aufgabe in naher Zukunft noch viel leichter bewältigen können“, sagt Nicolelis.

Als besonders wichtig werten die Forscher dabei, dass die Interaktion zwischen dem Gehirn der Affen und dem virtuellen Arm im Computer vollständig unabhängig vom Körper der Tiere erfolgte. „Das ist, als wenn wir einen neuen Sinneskanal erzeugt hätten, über den das Gehirn diejenigen Informationen erhält, die es nicht mehr über den realen Köper und die peripheren Nerven bekommen kann“, sagt Nicolelis. Diese direkte Schnittstelle könne daher zukünftig auch menschlichen Patienten helfen, deren Gliedmaßen gelähmt und empfindungslos sind. (Nature, 2011; DOI: 10.1038/nature10489)

(Nature / Duke University / dapd, 06.10.2011 – NPO)

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