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Neurobiologie

Schon Kleinkinder profitieren von Konzentrationstraining

Aufmerksamkeit verbesserte sich nach fünf Übungssitzungen

Schon Kleinkinder können erfolgreich darauf trainiert werden, sich besser auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Das zeigt jetzt ein Experiment britischer Forscher an elf-Monate alten Kindern. Sie hatten mit den Kindern geübt, bestimmte Objekte auf Computerbildschirmen mit den Augen zu verfolgen oder sie wiederzufinden, nachdem sie verdeckt wurden. „Schon eine relativ kurze Übungszeit führte bei den trainierten Kindern zu einer verbesserten Aufmerksamkeit „, berichten die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“. Das zeige, dass diese Fähigkeit in sehr viel jüngerem Alter trainiert werden könne als bisher angenommen.

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Die Forscher um Sam Wass vom Centre for Brain and Cognitive Development der University of London luden im Rahmen ihrer Studie 42 Kleinkinder in einer Spanne von 15 Tagen fünf Mal in ihr Labor ein. Die Hälfte dieser Kinder diente als Kontrollgruppe und spielte während dieser Zeit oder sah kindgerechte Fernsehprogramme. Die anderen 21 absolvierten vier verschiedene Übungen zum Training der Aufmerksamkeit und Konzentration. Jeder Übungschritt wurde dabei nur so lange durchgeführt, bis die Kinder die Lust verloren und ihre Aufmerksamkeit nachließ.

Fliegende Schmetterlinge und verschwindende Tiere

In einer der Übungen flog ein Schmetterling über den Bildschirm, bewegte sich aber nur, solange die Kinder ihn fixierten. Gleichzeitig erschienen ablenkende Objekte, die sich in Gegenrichtung bewegten. In einem anderen Test waren mehrere Fenster auf dem Bildschirm zu sehen. In eines dieser Fenster verschwand ein Tier, das Kind wurde daraufhin kurz abgelenkt. Kehrte der Blick des Kindes zu den Fenstern zurück, beobachteten die Forscher, ob das Kind das Fenster fixierte, hinter dem das Tier verschwunden war. Vor Beginn und nach Ende der 15-tägigen Übungsperiode führten die Forscher umfangreiche Tests an beiden Kindergruppen durch.

Deutliche Fortschritte schon nach fünf Sitzungen

In den Abschlusstests schnitten die trainierten Kinder deutlich besser ab als die Kontrollgruppe. Die Kleinkinder zeigten Fortschritte in ihrer Fähigkeit, Objekte trotz Ablenkungen im Blick zu behalten oder Muster zu erkennen. „Es ist erstaunlich, dass wir Veränderungen nach so viel kürzeren Trainingsperioden fanden als andere Studien an Vier- bis Fünfjährigen“, berichten die Forscher. Insgesamt hatte jedes Kleinkind durchschnittlich 77 Minuten Übungszeit absolviert. Vier- bis Fünfjährige hatten durchschnittlich 375 Minuten benötigt, bevor ein Trainingseffekt sichtbar wurde.

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Situationsgerechte Aufmerksamkeit gestärkt

Durch das Training sei es den Kindern zudem gelungen, die Dauer ihrer Betrachtung besser den Umständen anzupassen, sagen die Wissenschaftler. Diese Fähigkeit sei in der realen Welt sehr wichtig. „Manchmal möchte man gezielt ein interessantes Objekt fixieren und alle Ablenkungen ignorieren. Ein anderes Mal möchten wir aber das Zentrum unserer Aufmerksamkeit schnell wechseln können – beispielsweise beim Sprachenlernen in einer Gruppe“, sagt Wass. Diese Flexibilität in der Aufmerksamkeitsspanne habe sich bei den Kindern nach dem Training deutlich verbessert.

Dies könne eine wichtige Informationen sein, wenn es darum gehe, Kinder mit potenziellen Schwächen frühzeitig zu fördern. „Wenn wir die geistige Entwicklung unserer Kinder substanziell ändern wollen, könnte es sein, dass wir so früh wie möglich damit beginnen sollten.“ Wie lange der Trainingseffekt anhalte, müsse aber noch intensiver getestet werden.

Transfer des Gelernten auf andere Bereiche

Die in den Tests erzielten Verbesserungen in der Konzentrationsfähigkeit hätten sich auch auf andere Bereiche übertragen, berichten die Forscher. Man habe sie beispielsweise beim freien Spielen der Kinder beobachten können. Das stehe in deutlichem Kontrast zu ähnlichen Übungen bei Erwachsenen. Bei diesen finde normalerwiese keine Übertragung des Geübten auf substanziell verschiedene Aufgaben statt. Bei den Kleinkindern habe man aber diesen Transfer beobachtet. Das sei vermutlich auf das noch stärker formbare Gehirn der Kleinkinder zurückzuführen. (Current Biology, 2011; DOI 10.1016/j.cub.2011.08.004)

(Cell Press, 02.09.2011 – NPO)

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