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Technik

Forscher entwickeln „elektronisches Pflaster“

Hauchdünne, dehnbare Sensoren lassen sich direkt auf der Haut tragen

Bauteile aus gewundenen Leitungen und hauchdünnen Membranen machen das "elektronische Pflaster" extrem flexibel. © John Rogers

Forscher haben erstmals Sensoren, LEDs und andere elektronische Systeme entwickelt, die wie ein hauchdünnes Pflaster auf der menschlichen Haut kleben. Die kaum sichtbare Elektronik faltet, biegt und dehnt sich und folgt so nahezu unbemerkt jeder Bewegung. Aufgetragen wird sie einfach durch Anfeuchten mit Wasser – ähnlich einer temporären Tätowierung. Kabel, Kleber oder ein Durchstechen der Haut mit Nadeln sind dabei nicht nötig. „Das könnte ein wichtiger Durchbruch zu tragbarer Elektronik sein“, sagen die Forscher im Fachmagazin „Science“. Die neue Plattform ermögliche es erstmals, elektronische Komponenten für medizinische Diagnostik, Kommunikation, Stromerzeugung oder zur Prüfung von Umweltbedingungen direkt und komfortabel auf der Haut zu tragen.

Für ihr „electronic epidermal system“ (EES) nutzten die Wissenschaftler Schaltkreise aus spiralig gewundenen oder membrandünnen Halbleiterbauteilen. Sie lassen sich dadurch dehnen, ohne zu reißen. Die nur wenige Mikrometer großen Komponenten fixierten sie auf einer transparenten, luftdurchlässigen Kunststofffolie. „Alle etablierten Formen der Elektronik sind hart und steif. Biologie aber ist weich und elastisch. Dies ist ein Weg, beides zu integrieren“, sagt Yonggang Huang von der Northwestern University, einer der Forscher des internationalen und interdisziplinären Teams.

Elektronisches Pflaster steuert Computerspiel

Die praktische Anwendbarkeit ihres Systems demonstrierten die Forscher in mehreren Versuchen. Unter anderem setzten sie Probanden ihre elektronischen Pflaster auf Stirn, Hals oder Brust und maßen damit erfolgreich deren Hirnströme, Muskelsignale oder Herzschlag. Mit einem Sensor auf der Kehle gelang es, deren Muskelsignale bei verschiedenen Sprachkommandos – „auf“, „ab“, „rechts“, „links“ – abzugreifen und damit sogar ein Computerspiel zu steuern. „Diese Fähigkeiten eröffnen Möglichkeiten für EES-basierte Mensch-Maschine-Schnittstellen“, sagen die Forscher. Eingesetzt werden könnte es beispielsweise bei Patienten mit Muskel- oder Nervenerkrankungen.

Nur mit Wasser angeklebt, lässt sich das elektronische Pflaster leicht wieder abziehen. © John Rogers

System ist kabellos und skalierbar

Das Grundprinzip der neuen tragbaren Elektronik unterscheidet sich von herkömmlichen Technologien vor allem in einem Aspekt: Alle Bauteile funktionieren drahtlos, ohne Kabelverbindung zu einem weiteren, größeren Gerät. Da alle Komponenten auf Anpassungen bereits existierender Technologien der Halbleiterindustrie beruhe, könne man die Systeme zudem beliebig skalieren.

„Das Resultat ist ein hochleistungsfähiges System, dessen Masse und Steifheit um Größenordnungen kleiner sind als die konventioneller Elektronik oder sogar der modernen flexiblen Technologien“, sagen die Forscher. Eines ihrer „electronic epidermal systems“ wiege typischerweise weniger als 0,09 Gramm. Die neuen Module sind so klein, dass sie sich sogar auf die Rückseite eines Aufkleb-Tattoos applizieren lassen, wie die Wissenschaftler in Experimenten belegen. Das sei besonders interessant, da sich das Gerät so problemlos verstecken lasse, schreiben sie. Außerdem könne dann das Trägermaterial der Tattoos direkt auch als Träger für die Elektronik dienen.

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Die grundsätzliche Technologie sei vielseitig abwandelbar und vergleichsweise einfach herzustellen, berichten die Forscher. In ihren Versuchen bauten sie bereits tragbare Solarzellen, RFID-Chips, Drahtlosantennen, LEDs, verschiedenste Sensoren und Schaltkreise auf ihre Plattform. Die Entwicklung einer marktreifen Form durch eine eigens dafür gegründete Firma sei bereits in Arbeit. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1206157)

(Science, dapd, 12.08.2011 – NPO)

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