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Geowissen

Körpereigene Fresszellen als Komplizen von Viren

Transportmechanismus erklärt Eindringen von Krankheitserregern in Schleimhäute

Adenovirus - Transmissions-Elektronen-Mikroskopie (TEM)-Aufnahme © G. William Gary, Jr. / CDC

Viren benutzen die Fresszellen des Immunsystems als Türöffner, um in den menschlichen Körper einzudringen. Diesen bisher unbekannten Infektionsmechanismus haben Schweizer Forscher jetzt in einer Studie identifiziert.

„Die intakte Schleimhaut ist normalerweise gegen Infektionen resistent. Es war bisher unbekannt, wie Viren es trotzdem schaffen diese Barriere zu überwinden“, sagen die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“. Ihre Versuche mit Schleimhautzellen der Lunge in Zellkultur widerlegten frühere Vermutungen, nach denen mechanische Beschädigungen der Schleimhaut oder „trojanische Pferde“ den Viren bei ihrem Eindringen helfen. Stattdessen spielt die Präsenz von Fresszellen des Immunsystems eine entscheidende Rolle. Das zeigen Laborversuche mit Adenoviren, Krankheitserregern, die Erkältungen, aber auch schwere Lungenentzündungen hervorrufen können.

Werden Adenoviren von den Immunzellen gefressen, beginnen diese mit der Produktion einer Substanz, die Entzündungen fördert und das Eindringen der Viren in die Schleimhaut erleichtert. „Unsere Daten deuten auf eine entscheidende Rolle von Fresszellen bei der Infektion mit Adenoviren hin. Dies könnte auch ein Licht darauf werfen, wie andere Krankheitserreger in die Schleimhäute eindringen“, schreibt das Forscherteam von der Universität Zürich. Die Kenntnis dieses Transportwegs könne auch dazu dienen, Gentherapien gegen Krebs und die Entwicklung von spezifisch wirkenden Krebsmedikamenten weiter voranzutreiben.

Eindringen von Viren in Schleimhäute bisher ein Rätsel

Die Schleimhäute müssten eigentlich perfekt gegen krankmachende Virenangriffe geschützt sein: Sie tragen auf ihrer Außenmembran keine Andockstellen für Hepatitis C-, Herpes-, Adeno- oder Polioviren. Dennoch gelingt es einzelnen Viren, wie beispielsweise dem Aids-Virus HIV, über die Schleimhaut in den Körper einzudringen. Wie dieses Eindringen auf molekularer Ebene abläuft, war bislang ein ungelöstes Rätsel.

Drei Hypothesen wurden dazu diskutiert: Erstens könnte eine mechanische Beschädigung der Schleimhaut den Viren eine Passage ermöglichen. Zweitens könnten bisher unbekannte Rezeptoren auf den Schleimhautzellen existieren. Eine dritte Möglichkeit wäre das das Eindringen der Viren über eine Art trojanisches Pferd. Die Schweizer Zellbiologen um Lütschg haben nun herausgefunden, dass Adenoviren kein trojanisches Pferd nutzen, sondern direkte Hilfe von der körpereigenen Immunabwehr erhalten.

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Membran aus Lungenzellen als Testobjekt

Für ihre Studie züchteten die Forscher Membranen aus Lungenzellen auf einem Filtermaterial. Auf einen Teil dieser Membranen gaben sie Fresszellen des Immunsystems. Mittels Elektronenmikroskopie kontrollierten sie nach 24 Stunden, ob sich diese an die Lungenzellen angelagert hatten. Dies war der Fall. Im nächsten Schritt wurden alle Lungenzellkulturen mit Adenoviren versetzt.

Es zeigte sich, dass die Viren nur in die Membranen eindringen konnten, die zuvor mit den Fresszellen „geimpft“ worden waren. Als entscheidenden Faktor dafür identifizierten die Forscher in weiteren Tests eine von den Fresszellen abgegebene Substanz, ein Zytokin.

Antivirale Zytokine führen zu Entzündungsreaktionen

Antivirale Zytokine spielen bei Abwehrreaktionen des Körpers eine wichtige Rolle und führen zum Beispiel zu Entzündungsreaktionen. Solche Entzündungen helfen dem Immunsystem normalerweise gegen schädliche Eindringlinge. Sie beschleunigen die Blutzufuhr und machen Gewebe durchlässiger für Abwehrzellen. In diesem Falle jedoch helfen sie auch den Viren bei ihrem Eindringen in die Schleimhäute.

Der neu identifizierte Infektionsmechanismus kann nach Ansicht der Forscher nun als Modell dafür dienen, auf welchem Weg die Krankheitserreger in die Schleimhautzellen eindringen und in den Körper gelangen. (Nature Communications, 2011; DOI:10.1038/ncomms1391)

(Universität Zürich / Nature Communications / dapd, 25.07.2011 – NPO)

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