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Geowissen

Urzeit-Landschaft unter dem Meeresboden entdeckt

Gebiet vor der Nordküste Schottlands versank vor 55 Millionen Jahren im Ozean

Die Rekonstruktion einer vor 56 Millionen Jahren vor der Nordküste Schottlands versunkenen Landschaft zeigt in der Mitte ein tief eingegrabenes Flussbett. © R. A. Hartley et al.

Seit 55 Millionen Jahren liegt eine ganze Landschaft mit Flusstälern, steilen Klippen und Hügeln tief unter dem Nordatlantik begraben. Jetzt haben britische Forscher diese urzeitliche Landschaft und ihre Entstehungsgeschichte mithilfe von seismischen Messungen rekonstruiert.

„Als Teile des europäischen Schelfs episodisch über den Meeresspiegel angehoben wurden, schuf die Erosion neue Landschaften. Aber diese Landschaften sanken wieder ab und wurden unter den Meeresablagerungen begraben“, sagen die Forscher um Ross Hartley von der University of Cambridge. Zwei Kilometer dick seien heute die Sedimentschichten über der ehemaligen Landschaft.

Die Messungen der Wissenschaftler zeigen, dass die westlich der Orkney und Shetland-Inseln gelegene Region in drei Schüben jeweils 200 bis 400 Meter angehoben wurde. Antrieb dafür waren drei bis zu 1.460 Grad Celsius heiße Magmablasen im oberen Erdmantel. Ausgehend vom Aufstrom heißer Gesteinsschmelze unter Island, wanderten diese Blasen nach Südosten und hoben dabei die über ihnen liegende Erdkruste an. An der Oberfläche grub die Erosion tiefe Täler in die Gesteine ein, bevor die gesamte Landschaft nach nur einer Million Jahren wieder allmählich versank.

Heißes Magma aus dem Erdinneren

Unter Island verläuft eine der Nähte der Erdkruste: der Mittelatlantische Rücken. Unter diesem langgezogenen Unterwassergebirge quillt heißes, geschmolzenes Gesteinsmaterial aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche und bildet neuen Meeresboden. Unter Island liegt ein besonders heißer und besonders aktiver Bereich dieses Aufstroms, ein so genannter Plume. Er ist für die vielen Vulkane und heißen Quellen der Insel verantwortlich.

Dass dieser Plume auch rund 600 Kilometer weiter südöstlich die urzeitliche europäische Landschaft prägte, zeigen nun die Messungen von Hartley und seinen Kollegen. „Die komplexe, vorübergehende Anhebung des Untergrunds kann auf die Passage eines heißen Stroms von Plume-Material unter der festen Kruste zurückgeführt werden“, sagen die Forscher. Rund 0,5, einen und drei Millimeter pro Jahr habe das besonders heiße, in Schüben ausgestoßene Magma das Gebiet vor der Nordküste Schottlands vor 56 Millionen Jahren angehoben. Als diese Anomalie vorüber war, sei das Gebiet wieder unter den Meeresspiegel abgesunken.

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Mäandrierender Fluss inmitten von Hügeln

Die Forscher analysierten die zwei Kilometer tief unter Meeresablagerungen liegenden Gesteinsstrukturen mithilfe von Schallwellen. Diese dringen in den Untergrund ein und werden je nach Beschaffenheit der Gesteine unterschiedlich stark reflektiert. Aus dem resultierenden Reflexionsmuster rekonstruierten die Forscher ein Modell des 10.000 Quadratkilometer großen Gebiets, wie es vor 55 Millionen Jahren ausgesehen haben könnte.

„Im Süden und Osten erheben sich Hügel von 800 Metern Höhe über den Senken. Wasserscheiden lassen sich entlang ihrer Grate erkennen. Ein breites Tal mit einem mäandrierenden Strom teilt die Landschaft und endet im Vordergrund an einer prominenten Klippe. Über diesem Tal wird ein Netzwerk sich verzweigender Zuflüsse sichtbar“, beschreiben die Forscher die Landschaft. Insgesamt acht Flüsse gruben sich während der rund eine Million Jahre dauernden Zeit an der Oberfläche ins Gestein ein. Als die Landschaft wieder versank, blieben ihre Spuren im Gestein erhalten. (Nature Geoscience, DOI: 10.1038/ngeo1191)

(Nature Geoscience / dapd, 12.07.2011 – NPO)

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