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Geowissen

San Andreas: Querstörungen erhöhen Bebenrisiko

Störungen im Salton Sea Gebiet als Spannungslieferant für große Verwerfung entlarvt

Danny Brothers untersucht Sedimente am Salton Sea © UC San Diego

Am Südende der San Andreas Verwerfung haben Geoforscher eine Reihe von kleineren Querstörungen entdeckt, die das Risiko für ein Starkbeben im Gebiet Los Angeles und Riverside deutlich erhöhen. In der Vergangenheit brachen diese Störungen in der Salton Sea Senke vor allem dann, wenn der Wasserstand im See plötzlich anstieg. Doch auch ohne solche Wasserstands-Änderungen müsse dieses Gebiet genau überwacht werden, so die Forscher in „Nature Geoscience“, da es zusätzliche Spannungen in der San Andreas Verwerfung erzeugen und dann das dort längst überfällige Starkbeben auslösen kann.

Der Salton Sea ist der größte See Kaliforniens. Der in einer Senke des Imperial Valley gelegene Salzsee liegt zudem gut 60 Meter unter dem Meeresspiegel und ist für seine wechselnden Wasserstände bekannt. Aber auch tektonisch hat die Salton Sea Region es in sich: Der See liegt in einem Gebiet, in dem das südliche Ende der San Andreas Verwerfung nach Südwesten in Richtung der Imperial Fault abknickt. Weil das letzte größere Erdbeben in dieser Region bereits 300 Jahre zurückliegt, wird diese Region stark überwacht.

San Andreas: Beben am Südende längst überfällig

Viele Erdbebenexperten halten die südliche San Andreas Verwerfung für „längst überfällig“, da historische Starkbeben der letzten tausend Jahre immer nur etwa 180 Jahre auseinander lagen. „Wir waren erstaunt, dass die südliche San Andreas Verwerfung nicht längst losgegangen ist. Es ist fast schon vergleichbar mit einer Frau, die 15. Monat schwanger ist“, erklärt der Seismologe Debi Kilb von der Scripps Institution of Oceanography. Er und Kollegen von der Universität von Kalifornien in San Diego, der Universität von Nevada sowie des U.S. Geological Survey haben jetzt in einer Studie eine mögliche Erklärung dafür gefunden.

Neue Verwerfungen in der Senke entdeckt

Mit Hilfe von seismischen Untersuchungen der Sedimentschichten unter dem heutigen Salton Sea entdeckten die Forscher, dass fort ein ganzes Bündel kleinerer tektonischer Störungen quer zur San Andreas Verwerfung verläuft. Sie könnten eine Schlüsselrolle für die Erdbebenentstehung in dieser Region spielen. „Diese Querstörungen müssen mit berücksichtigt werden, wenn man die Erdbebenrisiken ermittelt und als potenzielle Auslöser für destruktive Erdbeben entlang der größeren Verwerfungen untersucht werden“, erklärt Danny Brothers vom U.S. Geological Survey (USGS), Hauptautor der Studie.

Salton Sea, alte Ufer des Lake Cahuilla und Verwerfungen in der Region © Scripps Institution, UC San Diego

Querstörungen reagieren auf Wasserstand

Indem sie nach Indikatoren für den Versatz des Untergrunds in diesen Sedimenten suchten, gelang es den Wissenschaftlern, die Bebengeschichte dieses Gebiets zu rekonstruieren. Dabei stießen sie auf Belege für eine Verbindung zwischen dem Fluten der Salton Sea Senke und einem Brechen der neu entdeckten Querverwerfungen. Immer wenn sich der bis vor 300 Jahren an dieser Stelle vorhandenen natürliche See Lake Cahuilla füllte, erhöhte dies den Druck im Untergrund.

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Die Wassermassen des im Gegensatz zum heutigen Salton Sea um ein Vielfaches größeren Sees destabilisierten die kleinen Querstörungen und führten mehrfach in der Geschichte zum Bruch und damit zu Erdbeben. Spannungsmodelle zeigen, dass die Störungen unter dem Salton Sea besonders anfällig gegenüber schnellen Erhöhungen der senkrechten Last reagieren. Wenn jedoch die kleineren Störungen nachgeben, könnte dies auch die Spannung und damit das Erdbebenrisiko entlang der südlichen San Andreas Verwerfung vergrößern.

Spannungs-Lieferanten für San Andreas Verwerfung

Nach Meinung der Forscher hat ein Bruch der kleineren Querstörungen in der Vergangenheit schon mehrfach ein San Andreas-Beben ausgelöst. Seit der ursprüngliche Lake Cahuilla verdunstete und an seiner Stelle heute nur noch der kleine, künstlich entstandene Salton Sea liegt, ereignete sich allerdings kein vergleichbares Beben. Die Forscher warnen jedoch, dass das Versagen der Querstörungen von tektonischen Kräften angetrieben wird und daher auch unabhängig von größeren Wasserspiegelveränderungen des Sees einen Bruch in der San Andreas Verwerfung auslösen kann.

Andere Forscherteams hatten bereits geschätzt, dass der Spannungsaufbau im Untergrund der Region noch immer ausreicht, um ein Beben der Magnitude 7 bis 8 zu erzeugen. Wenn die kleinen Störungen unter dem Salton Sea die San Andreas Verwerfung zusätzlich mit Spannung aufladen können, verstärkt dies das Risiko.

Die Ergebnisse unterstützen zudem die Annahme, dass sich die nächste Erdbebensequenz des San Andreas von Süden nach Norden ausbreiten wird und damit auch die Region Los Angeles treffen könnte. „Erdbebensimulationen enthüllen, dass die Erschütterungen großer Metropolenregionen wie Riverside und Los Angeles stärker sein werden, wenn sich das Erdbeben von Süden nach Norden ausbreitet – unsere Forschungen deuten darauf hin, dass die Salton Sea Zone ein Auslöser für genau diese Ausbreitungsrichtung sein könnte“, erklärt Neal Driscoll von der Scripps Institution.

Sanierungspläne beeinflusst

Eine der unmittelbaren praktischen Anwendungen der neuen Erkenntnisse ist auch ein Leitfaden für die weitere Entwicklung der Salton Sea Region. Die Daten geben einen deutlichen Hinweis darauf, wie die in den letzten Jahren begonnenen Umweltsanierungs- und Wiederherstellungsarbeiten entlang der Senke beeinflusst werden könnten. Der Salton Sea und seine Abflüsse gehören zu den verschmutztesten Gewässern der USA. Hoher Salzgehalt, Schadstoffe und Überdüngung gefährden das Ökosystem des Sees und der angrenzenden Ufergebiete.

Dennoch entstanden in den letzte Jahrzehnte zahlreiche Siedlungen im Imperial Valley, darunter Salon Sea Beach, Deser Shores oder Salton City. Sie könnten durch en Erdbeben in dieser Region besonders gefährdet sein: „Große Erdbeben in der südlichen San Andreas Verwerfung werden höchstwahrscheinlich von Liquefaktion im Imperial Valley begleitet sein“, so Brother. „Zusätzlich zum Beben des Untergrunds wird auch diese Verflüssigung Schäden an der existierenden Infrastruktur und den Wasserleitungssystemen hervorrufen.“ (Nature Geoscience, 2011; DOI: 10.1038/ngeo1184)

(University of California – San Diego, 28.06.2011 – NPo)

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