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Chemie

Mehr Allergien durch feuchten Feinstaub?

Proteinhaltige Schwebteilchen verändern sich chemisch in feuchter Luft

Vom Glas zum Gel: Im Lichtmikroskop ist gut zu erkennen, wie ein Partikel des Proteins Bovine Serum Albumin (BSA) seine Struktur verändert, wenn er Feuchtigkeit aufnimmt. Seine Konturen weichen dann auf, weil das glasartige Teilchen aufquillt. Das macht ihn auch leichter zugänglich für chemische Veränderungen. © Manabu Shiraiwa / MPlI für Chemie

Wie stark Blütenpollen und andere organische Schwebteilchen in der Luft Allergien auslösen, hängt unter anderem von der Luftfeuchtigkeit ab: Denn wie ein Forscherteam jetzt herausgefunden hat, wechseln proteinhaltige Partikel bei hoher Luftfeuchtigkeit von einer glasartigen in eine gelartige Konsistenz. Die dadurch erfolgenden chemischen Veränderungen machen die Teilchen zu potenteren Allergenen. Auch die Bildung von Niederschlägen wird so gefördert, wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten.

Dass proteineiche Lebensmittel getrocknet länger haltbar bleiben, kennt man aus der heimischen Küche. Feucht werden sie rascher von Mikroorganismen zersetzt und chemisch schneller oxidiert. Forscher um Ulrich Pöschl und Manabu Shiraiwa am Max-Planck-Institut für Chemie haben jetzt herausgefunden, dass Feuchtigkeit auch die chemische Veränderung beschleunigt, die Proteine in der Atmosphäre durch Luftschadstoffe erfahren. Hohe Luftfeuchtigkeit und oxidierende Gase wie Ozon lassen die Proteine in organischen Feinstaub-Partikeln wie Blütenpollen chemisch schneller altern.

Vom Glas zum Gel

In trockenem Zustand sind Proteine glasartig und können nur an ihrer Oberfläche von reaktiven Gasen wie Ozon oxidiert und zersetzt werden. Bei erhöhter Luftfeuchte nehmen die Proteine jedoch Wasser auf und verwandeln sich von einem glasartigen Zustand in eine Art Gel. „Das Protein-Gel hat wassergefüllte Poren und Kanäle, durch die Ozon und andere reaktive Gase in das gesamte Protein eindringen und es chemisch verändern können. Dadurch ändert sich nicht nur die molekular Struktur, sondern auch die biologische Funktion“, erklärt Shiraiwa. „Wir haben ausgerechnet, dass sich die Halbwertszeit der Proteinumwandlung abhängig von Feuchtigkeit, Temperatur und Ozongehalt von Tagen auf wenige Sekunden verkürzen kann.“

Allergenes Potential von Pollen steigt

Die Ergebnisse sind wichtig, um beispielsweise die gesundheitsschädliche Wirkung von organischem Feinstaub besser einschätzen zu können. So verstärken beispielsweise Ozon und Stickoxide die allergieauslösende Wirkung von Proteinen im Blütenstaub oder Pollenkörnern. Zu dieser auch als Sommersmog bezeichneten Luftverschmutzung mit hohen Konzentrationen an Ozon und Stickoxiden kommt es besonders in den Sommermonaten bei hoher Verkehrsdichte und starker Sonneneinstrahlung.

„Diese Luftschadstoffe stehen daher im Verdacht, an der Zunahme von Allergieerkrankungen in Industrieländern beteiligt zu sein. Ähnliche Reaktionen sind auch am Einfluss der Luftverschmutzung auf Atemwegsentzündungen und biologische Alterungsprozesse beteiligt“, erläutert Pöschl, Leiter der Studie.

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Mehr Niederschlag durch organischen Feinstaub

Die feuchtigkeitsabhängige Phasenumwandlung vom glasartigen zum gelartigen Protein beeinflusst auch, wie sich organische Feinstaubpartikel in der Atmosphäre verhalten. Feuchte gelartige Aerosol-Partikel reagieren mit atmosphärischen Spurengasen und können flüssige Wolkentropfen bilden. Glasartige Partikel hingegen sind weitgehend inert, das heißt, dass sie nicht an chemischen Reaktionen beteiligt sind. Dafür können sie allerdings als Kristallisationskeime für Eiskristalle dienen, die an der Bildung von Niederschlag beteiligt sind.

In weiteren Experimenten und Modellrechnungen wollen die Forscher nun den Einfluss von Feuchtegehalt und Phasenzustand auf die Reaktivität organischer Partikel noch genauer bestimmen, um die Auswirkungen von Feinstaubpartikeln auf Gesundheit und Klima quantifizieren und vorhersagen zu können. (Proceedings of the National Academy of Sciences online, 2011; doi: 10.1073/pnas.1103045108)

(Max-Planck-Gesellschaft, 27.06.2011 – NPO)

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