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Astronomie

Rätselhafte Gammastrahlung aus Kugelsternhaufen

Erster Nachweis der energiereichen Strahlung, genaue Quelle aber noch unklar

Abb. 1. Der Kugelsternhaufen Terzan 5 (Bildmitte) im sichtbaren Licht und die Gammaquelle HESS J1747 – 248. Die Gammaintensität ist in Falschfarben von blau (niedrig) nach weiß (hoch) dargestellt. Der kleinere Kreis (durchgezogen) umfasst die Hälfte der Masse von Terzan 5. Dieser zentrale Bereich im Infrarotlicht ist rechts oben vergrößert gezeigt. Der größere Kreis (gestrichelt) gibt die Ausdehnung von Terzan 5 an innerhalb der Sterne noch durch Gravitation an den Haufen gebunden sind. © ESO/Digitized Sky Survey 2 und ESO/F. Ferraro (IR)

Astrophysiker haben mit dem H.E.S.S.-Teleskopsystem in Namibia eine neue Quelle sehr energiereicher Gammastrahlung entdeckt – erstaunlicherweise in einem Kugelsternhaufen. Damit hat sich zwar erstmals ein solcher Sternhaufen als Gammaquelle entpuppt, der genaue Ursprung der Gammastrahlung den Forschern jedoch noch Rätsel auf. Vor allem die Lage der Quelle im weniger dichten Außenbereich des Haufens scheint gängigen Erklärungsmodellen zu widersprechen.

Der Kugelsternhaufen Terzan 5 im Sternbild Schütze ist ein in mehrfacher Hinsicht bemerkenswertes Objekt. Verborgen hinter galaktischen Staubwolken und daher sehr lichtschwach wurde er erst 1968 von Agop Terzan auf Fotoplatten der Sternwarte Haute Provence in Frankreich entdeckt. Etwa 150 bekannte Kugelsternhaufen – enge kugelförmige Ansammlungen von vielen sehr alten Sternen – umkreisen als Teil des galaktischen Halos wie ein riesiger kugelförmiger Schwarm das Zentrum unserer Galaxis. Terzan 5 liegt nur wenig oberhalb der galaktischen Ebene in knapp 20.000 Lichtjahren Entfernung zur Erde. An Sterndichte übertrifft er die übrigen Kugelsternhaufen deutlich und enthält zudem die größte Zahl von Millisekunden-Pulsaren, rasch rotierenden Neutronensternen, die vermutlich Teil enger Doppelsternsysteme sind.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt Terzan 5, als Wissenschaftler im Jahr 2009 nachwiesen, dass er zwei verschiedene, eine rund zwölf und eine nur sechs Milliarden Jahre alte Populationen von Sternen umfasst. Aufgrund dieser Eigenheiten, die ihn von den allermeisten Kugelsternhaufen unterscheiden, wird vermutet, dass er der Überrest einer Zwerggalaxie ist, die von unserer Milchstraße eingefangen wurde.

Billionenfach mehr Energie als das Sonnenlicht

Forscher des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik und 33 weiterer Institutionen der H.E.S.S.-Kollaboration haben nun eine neue Quelle hochenergetischer Gammastrahlung entdeckt, die sich nahezu in der gleichen Richtung am Himmel befindet wie Terzan 5. Diese unmittelbare Nachbarschaft legt nahe, dass es sich bei HESS J1747 – 248 tatsächlich um einen bisher unbekannten Teil von Terzan 5 handelt, zumal die Wahrscheinlichkeit für eine zufällige Richtungsübereinstimmung anhand der Häufigkeit bekannter Gammaquellen unter 1:10.000 liegt.

Zwei der vier H.E.S.S.-Teleskope für den Nachweis sehr hochenergetischer kosmischer Gammastrahlung im Khomas-Hochland von Namibia. Der Durchmesser der Teleskope beträgt etwa 14 m. © H.E.S.S.-Kollaboration

Zum Nachweis dieser Gammastrahlung, deren Energie pro Quant die des sichtbaren Lichts billionenfach übertrifft, dient das Tscherenkow-Teleskopsystem H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia. Es besteht aus vier Großteleskopen, welche mit ultraschnellen Kameras äußerst schwache Lichtspuren, die so genannte Tscherenkow-Strahlung von atmosphärischen Teilchenschauern aufnehmen, die von Gammaquanten in etwa zehn Kilometern Höhe ausgelöst werden. Die zeitgleiche Beobachtung aus den bis zu vier verschiedenen Blickrichtungen erlaubt die Rekonstruktion der Richtung der Gammaquelle am Himmel. Im Fall von Terzan 5 wurde erstmals ein Kugelsternhaufen als mögliches Quellobjekt identifiziert.

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Genaue Quelle der Gammastrahlung noch immer rätselhaft

Woher aber die überraschend längliche und abseits des Haufenzentrums liegende Gammastrahlenquelle ihre Energie nimmt, ist bisher völlig ungeklärt. Theoretischen Modellen nach müssten dafür zunächst Elektronen oder Protonen in einem kosmischen Beschleuniger auf entsprechende Energien gebracht werden und dann in weiteren Stoßprozessen in Gammaquanten umgewandelt. Aber was genau passiert im Kugelsternhaufen Terzan 5?

Elektronen könnten in so genannten Millisekunden-Pulsaren oder den von ihnen ausgehenden Sternenwinde und Schockfronten beschleunigt werden, wenn diese aufeinander treffen. Bei der hohen Sterndichte in einem Kugelsternhaufenerscheint dies durchaus plausibel. In der Tat wurde auch schon diffuse Röntgenstrahlung aus Terzan 5 nachgewiesen. Aber die räumliche Verschiebung der neuen Gammaquelle gegenüber dem Haufenzentrum, wo man die meisten Pulsare und Wechselwirkungen der hochenergetischen Elektronen mit dem Sternenlicht erwarten würde, ist dann rätselhaft.

Protonen könnten dagegen in Supernova-Überresten beschleunigt werden. Dies ist aus anderen Quellen bekannt und Supernovae infolge von Sternkollisionen sind in den dichtgedrängten Kugelsternhaufen keine Seltenheit. Aber auch hier stellt sich die Frage, warum die beobachtete Quelle abseits vom Zentrum liegt. Nach Ansicht der Astrophysiker könnte das eigentliche Quellobjekt könnte als Folge von nahen Sternbegegnungen in die Außenbereiche geschleudert worden sein.

Nach wie vor ist ebenfalls ein Rätsel, warum HESS J1747 – 248 eine „dunkle Quelle“ ist, also in den anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums bisher nicht nachweisbar leuchtet. „Letztlich ist die Natur der Quelle unklar, weil kein Gegenstück oder Modell die beobachtete Morphologie erklärt“, erklärt Wilfried Domainko vom Max-Planck-Institut für Kernphysik.

Hoffnung auf H.E.S.S. II

Von besonderem Interesse ist für zukünftige Untersuchungen der benachbarte Bereich niedrigerer Gammaenergien, der sich im Fall von Terzan 5 dem Nachweis sowohl durch Satellitenmessungen als auch Beobachtungen vom Erdboden durch H.E.S.S. bisher entzog. Derzeit ist ein fünftes Großteleskop (H.E.S.S. II) in Bau, dass eine fünfmal größere Spiegelfläche von etwa 600 Quadratmetern besitzt und mit der dadurch gesteigerten Empfindlichkeit auch weniger energetische Quanten, die lichtschwächerer Teilchenschauer auslösen, nachweisen soll.

Dies ist von zweifachem Interesse – zum einen kann die Energieverteilung im Spektrum helfen, die zugrunde liegenden möglichen Entstehungsmechanismen zu unterscheiden. Zum anderen ist die Entdeckung weiterer neuer Gammaquellen dann möglicherweise auch im Zusammenhang mit anderen Kugelsternhaufen zu erwarten. HESS J1747 – 248 dürfte nicht das letzte Rätsel sein, das den Astrophysikern aufgegeben wird. (Astronomy & Astrophysics, 2011; arXiv:1106.4069v1)

(Max-Planck-Institut für Kernphysik, 24.06.2011 – NPO)

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