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Chemie

Bor-Kristalle überraschen Forscher

Neue chemische Bindungen entdeckt

Ausschnitt aus einem Bor-Kristall © Sander van Smaalen

Die Welt der chemischen Bindungen ist noch immer für Überraschungen gut. In Bor-Kristallen, die in einem Hochdruck-Laboratorium hergestellt wurden, hat ein Forscherteam chemische Bindungen entdeckt, die in Bor-haltigen Materialien bisher unbekannt waren.

Unter extremen Drücken synthetisierte Bor-Kristalle besitzen als Halbleitermaterialien hochinteressante Eigenschaften, schreiben die Wissenschaftler der Universität Bayreuth, der European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble und der schwedischen Universität Linköping in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“.

Bor-Forschung „hinkt“ hinterher

Bor (B) ist ein chemisches Element, das hinsichtlich seiner Strukturen weniger gut erforscht ist als andere chemische Elemente. Insbesondere die chemischen Bindungen, die zwischen Bor-Atomen bestehen, sind längst nicht vollständig aufgeklärt. Denn moderne Untersuchungsverfahren mit Synchrotron-Röntgenstrahlung, die grundsätzlich über die Lage der Elektronen und über die Art der chemischen Bindungen in einem Material Aufschluss geben können, ließen sich lange Zeit auf das leichte Element Bor nicht anwenden.

Um diese Verfahren für die Untersuchung von Bor einsetzen zu können, benötigen Wissenschaftler möglichst hochwertige Einkristalle. Einkristalle eines Materials sind dadurch charakterisiert, dass sich die Atome in eine einheitliche Gitterstruktur einfügen. Sie gelten in der Forschung als qualitativ hochwertig, wenn keine oder allenfalls geringfügige Abweichungen von der Gitterstruktur vorkommen.

Hochwertige Einkristalle, die sich aus Bor-Atomen zusammensetzen, entstehen aber nur unter technisch äußerst anspruchsvollen Bedingungen und waren deshalb lange Zeit nicht verfügbar. Und so blieben die chemischen Bindungen in Bor-haltigen Materialien weitgehend unzugänglich.

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Hochwertige Einkristalle gezüchtet

Erst vor zwei Jahren hat ein Forscherteam der Universität Bayreuth um Professor Leonid Dubrovinsky ein zuverlässiges Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, Bor-Kristalle unter hohen Drücken zu synthetisieren. Für diese aufwändigen Arbeiten bildeten die europaweit einzigartigen Technologien der Hochdruck- und Hochtemperaturforschung im Bayerischen Geoinstitut, einem Forschungszentrum der Universität Bayreuth, eine leistungsstarke Infrastruktur.

Mit dem neuen Verfahren ist es gelungen, qualitativ hochwertige Einkristalle zu züchten. Darin sind Ikosaeder, die jeweils aus zwölf Bor-Atomen bestehen, in einer durchweg einheitlichen und stabilen Gitterstruktur angeordnet.

Internationale Kooperation

Forscher um Professor Sander van Smaalen und Professorin Natalia Dubrovinskaia von der Universität Bayreuth analysierten diese Einkristalle nun mit Synchrotronstrahlung, das heißt mit einer intensiven Röntgenstrahlung, die im Teilchenbeschleuniger zu Forschungszwecken gezielt erzeugt wird.

Das Bayreuther Team arbeitete eng mit der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble zusammen, einer der größten Synchrotronstrahlenquellen in Europa. Die hier durch Röntgenbeugung gewonnenen Daten wurden mit speziellen Rechenprogrammen in so genannte Gradientenbilder übersetzt. Gradientenbilder geben Auskunft über die unterschiedliche Elektronendichte in einem Material. Sie ermöglichen zuverlässige Rückschlüsse auf die Position und die Stabilität von chemischen Bindungen, die zwischen den Atomen bestehen.

Gradientenbilder erfolgreich ausgewertet

Gemeinsam mit einem Team der Universität Linköping haben die Bayreuther Hochdruckforscher die Gradientenbilder ausgewertet, die bei der Analyse der Hochdruck-Bor-Kristalle entstanden waren. Dabei entdeckten sie zwei Arten von chemischen Bindungen, von denen man bisher nicht wusste, dass sie innerhalb eines Bor-Kristalls existieren können.

Physikalisch gesprochen, handelt es sich einerseits um ein-Elektron-zwei-Zentren-Bindungen, die benachbarte ikosaedrische Bor-Cluster verbinden; andererseits um polar-kovalente zwei-Elektronen-drei-Zentren-Bindungen. Letztere werden zwischen einem Paar von Atomen aus einem ikosaedrischen Bor-Cluster und einem Atom der interstitiellen B2-Gruppe gebildet.

„Diese für uns überraschenden Erkenntnisse sind zunächst einmal für die Grundlagenforschung interessant“, erklärt van Smalen. „Wir müssen aber mit der Möglichkeit rechnen, dass die unter extremen Drücken gebildeten Bor-Kristalle an Bedeutung für die Industrie gewinnen. Denn wenn sie für elektronische Geräte und Schaltungen als Halbleiter eingesetzt werden, besitzen sie einzigartige optische Eigenschaften und zeichnen sich durch eine überdurchschnittliche Härte aus. Für derartige industrielle Anwendungen können unsere Grundlagenforschungen in einer Weise relevant werden, die sich heute noch nicht absehen lässt.“

(Universität Bayreuth, 17.06.2011 – DLO)

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