Göttinger Wissenschaftler haben anhand von Proben von zwei Patienten aus Hamburg die genetische Information des Bakteriums Escherichia coli – E. coli O104:H4 – entschlüsselt, das die sogenannten EHEC-Erkrankungen verursacht.
Die neuen Sequenzdaten deuten darauf hin, dass die Patientenisolate nicht etwa aus einem EHEC-Erreger hervorgegangen sind, sondern vielmehr aus einem Keim, den man als EAEC (Entero-Aggregativer Escherichia coli) bezeichnet.
„Die Ergebnisse erlauben wichtige Rückschlüsse darauf, weshalb das besonders in Norddeutschland grassierende Bakterium so aggressiv ist“, so Rolf Daniel, Leiter des Laboratoriums für Genomanalyse der Universität Göttingen.
Krank machendes Potenzial gesteigert
EAEC zeichnet sich dadurch aus, dass der Erreger sich besonders fest an Epithelien bindet, Zellaggregate bildet und sein normales, krank machendes Programm abspult. Mehr als 96 Prozent des nun untersuchten genetischen Materials aus Hamburg und eines EAEC-Stammes sind identisch.
Der EAEC-Keim hat sein krank machendes Potenzial nach Angaben der Wissenschaftler erheblich gesteigert, indem er aus anderen E. coli-Stämmen wie beispielsweise EHEC mit Hilfe von Bakterienviren – so genannten Phagen – ein spezielles Gen übernommen und fest in seinem eigenen Chromosom verankert hat.
Gefährliches Shiga-Toxin
Dieses Gen bildet das sogenannte Shiga-Toxin, das ursprünglich aus dem Erreger der Bakterienruhr stammt. Dabei handelt es sich nach Angaben der Forscher um ein besonderes Gift, das das hämorrhagisch-urämische Syndrom (HUS) auslösen kann, also Blutzersetzung, sowie dessen Folgeschäden wie beispielsweise Nierenversagen.
Diese Kombination verleiht dem neuen Keim seine Gefährlichkeit: Seine Zellen können durch Anheftung und Aggregation einen massiven Infektionsherd im Darm bilden, und diese Zellmasse produziert mit dem Shiga-Toxin ein sehr wirksames Gift. Darüber hinaus schützt ein sogenanntes Resistenzplasmid den Keim vor einem breiten Spektrum von Antibiotika.
Die Göttinger Wissenschaftler schlagen für den neuen Erreger die Bezeichnung EAHEC (Entero-Aggregativer-Hämorrhagischer E. coli) vor.
Mehr zum Thema in unserem Special: EHEC-Epidemie in Deutschland
(Universität Göttingen, 16.06.2011 – DLO)