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Astronomie

„Bilderbuchwellen“ im Sonnen-Plasma

Sonnenteleskop SDO liefert ersten Beleg für Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten auf der Sonne

Diese Aufnahmen des SDO belegen die Existenz von Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten auf der Sonne. Links der aufgenommene Ausschnitt, rechts die zeitlich aufeinanderfolgenden Aufnahmen. © NASA/ SDO/ Astrophysical Journal Letters

In der Atmosphäre der Sonne haben Forscher jetzt erstmals Plasmabewegungen entdeckt, die denen der klassischen Meereswellen gleichen. Die Existenz solcher so genannten Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten war bisher zwar theoretisch prognostiziert, aber nicht direkt nachgewiesen worden. Die jetzt im „Astrophysical Journal Letters“ beschriebenen „Surfer-Wellen“ auf der Sonne geben wertvolle Hinweise auf die Dynamik der Korona und auf mögliche Mechanismen, die diese aufheizen.

Sie formen die berühmten Surfer-Wellen auf Hawaii, aber auch ganze Wirbelserien in den Wolkenbändern des Saturn oder dem irdischen Himmel: Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten treten immer dann auf, wenn Flüssigkeiten oder Gase unterschiedlicher Dichte oder Geschwindigkeit aneinander vorbeiströmen. Geringste Unregelmäßigkeiten schaukeln sich dann auf und werden zu großen Wellenmustern verstärkt. Theoretisch könnten solche Turbulenzen auch auf der Sonne auftreten, denn dort strömt bei jedem koronaren Massenausbruch heißes Plasma mit hoher Geschwindigkeit am langsamer fließenden Plasma der Sonnenoberfläche vorbei.

SDO zeigt „Surfer- Wellen“ im Plasma

Jetzt hat das „Solar Dynamics Observatory“ (SDO) der NASA einen eindeutigen fotografischen Beweis geliefert, dass auch im Plasma der Sonne Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten existieren. Das seit Februar 2010 im Weltraum schwebende Sonnenteleskop schoss hochauflösende Aufnahmen der immerhin 150 Millionen Kilometer entfernten Sonnenoberfläche, die große Plasmawellen zeigen. „Die Wellen, die wir in diesen Aufnahmen sehen, erscheinen so klein, aber sie haben die Größe der gesamten USA“, erklärt Barbara Thompson vom Goddard Space Flight Center der NASA.

Modell bestätigt Existenz von Kelvin-Helmholtz-Wellen

Um zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um Kelvin-Helmholtz-Wellen handelte, entwickelten die Forscher ein Computermodell der Plasmavorgänge und simulierten die Strömungen. Die Simulation ergab, dass sich unter den bekannten Bedingungen tatsächlich solche großen Plasmawellen in der Korona bilden können. „Ich war nicht sicher, dass sich solche Instabilität auch auf der Sonne entwickeln können, da die Magnetfelder einen stabilisierenden Effekt haben“, erklärt NASA-Forscher Leon Ofman. „Jetzt wissen wir, dass diese Instabilität entsteht, obwohl das solare Plasma magnetisiert ist.“

Computersimulation der Bewegung des solaren Plasmas - es zeigte sich, dass "perfekte" Wellen möglich sind. © Ofman/ Thompson/ Astrophysical Journal Letters

Hinweis auf Mechanismus der koronaren Heizung

Diese Erkenntnis könnte auch dazu beitragen, den noch immer nicht vollständig geklärten Mechanismus der koronaren Heizung der Sonne aufzuklären – den Prozess, der die Korona millionenfach heißer macht als die Sonnenoberfläche. Denn von anderen Kelvin-Helmholtz-Wellen weiß man, dass sie Kaskaden von immer kleineren Turbulenzen nach sich ziehen, deren Reibung Wärme erzeugt. Auch bei Meereswellen ist dies der Fall, hier verteilt sich die Reibungswärme aber so schnell, dass sie für uns Menschen nicht spürbar wird.

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Möglicherweise spielen daher auch auf der Sonne diese „Abkömmlinge“ der großen Plasmawellen eine wichtige Rolle im Wärmehaushalt. Nach Ansicht von Thompson wird die Aufklärung des exakten Mechanismus der Korona-Aufheizung noch eine ganze Weile dauern, aber, so hofft sie, die Daten des SDO könnten hier wertvolle Hilfe leisten. Das Sonnenteleskop erstellt alle zwölf Sekunden ein neues hochauflösendes Bild der Sonnenoberfläche und erlaubt damit eine nahezu kontinuierliche und detailreiche Überwachung unseres Zentralsterns. (Astrophysical Journal Letters, 2011; doi: 10.1088/2041-8205/734/1/L11)

(NASA/GSFC, 09.06.2011 – NPO)

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