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Wie rutscht ein Hang ab?

Sandspiele im Dienste der Forschung

Modell der Absedimentation von Material © DFG-Forschungszentrum Ozeanränder

Hunderttausende von virtuellen farbigen Kugeln purzeln in Katrin Huhn’s Rechner durcheinander. Sie helfen ihr, herauszufinden, welche Faktoren für Erdrutsche unter Wasser verantwortlich sind. „Im Grunde ist es ein wenig wie im Sand zu spielen. Nur dass ich im Rechner genau die Eigenschaften der einzelnen Sandkörner, bzw. Kugeln bestimmen kann“, erklärt die Geophysikerin des DFG-Forschungszentrum Ozeanränder der Universität Bremen.

„Ozeanränder sind die Übergänge zwischen den flachen Randmeeren und der Tiefsee und gehören zu den dynamischsten Gebieten unserer Erde. Hier rutschen häufig kleinere und manchmal auch große Mengen Material ab. Jedes Jahr lesen wir in der Zeitung von Schlammlawinen an Land, die Hunderte von Menschen begraben haben“, verdeutlicht die Bremer Geophysikerin ihr Interesse an dem Gebiet. „Rutscht unter Wasser ein Hang ab, bleibt das jedoch meist unbemerkt. Dabei ist die Gefahr viel größer.“

Schlammlawinen unter Wasser

Große untermeerische Rutschungen können Tsunamis auslösen. Riesenwellen, die mit über zehn Meter Höhe riesige Küstenstriche verwüsten könnte. „In der Vergangenheit hat es solche Wellen gegeben, das können wir in den Meeressedimenten und an den Küstenablagerungen erkennen. Vor 250 Jahren zerstörte ein Tsunami große Teile von Lissabon. Insgesamt starben über 50.000 Menschen in Fluten, Feuer und Trümmern. Ursache war ein Erdbeben, das eine riesige Hangrutschung auslöste.

Wann, Wo, Warum?

Damit Wissenschaftler verstehen können, wie und wann ein Hang abrutscht, müssen sie zunächst verstehen, wie er entstanden ist. „Das können wir mit unseren Modellen. Denn dort können wir Millionen von Jahren in wenigen Minuten vergehen lassen. Wir können die Zeit aber auch extrem verlangsamen, um genau zu untersuchen, wie sich Material den Hang hinab bewegt.“ Im Modell steht jede einzelne Kugel für ein kleines Erdpaket mit veränderbaren Eigenschaften. Zum Beispiel kann Katrin Huhn der untersten Kugelschicht die Eigenschaften von Ton zuweisen, die darüber wird Schlamm, der wesentlich fester ist. Dann kommt eine Lage grober Sand, der das ganze System nach oben hin abdichtet und das Wasser im Ton bindet. Kippt sie jetzt ihren virtuellen Kontinentalhang, so fängt das Sedimentpaket irgendwann an zu rutschen.

Rutschen oder nicht rutschen?

Kaffee: Genussmittel, Wachmacher und "Medizin" © Alex Raths/ iStock.com

Die Tone wirken dabei als Schmiermittel, auf dem die Rutschung abwärts gleitet. Der Winkel bei dem dies geschieht und wie viel des Hanges abrutscht, hängt unter anderem davon ab, wie viel Wasser in den einzelnen Schichten vorhanden ist, wie grob die Partikel sind und wie viel Material auf den Tonen lagert. All diese Parameter kann Katrin Huhn im Rechner mit wenigen Tasten verändern. Daher kann sie so lange an den Eigenschaften der einzelnen Kugeln herumspielen, bis sie den Faktor findet, der dafür verantwortlich ist, dass ein Hang plötzlich keinen Halt mehr hat. Sie erfährt aber auch, warum ein Hang stabil bleibt.

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Auslöser der Katastrophe

Doch es gibt auch andere Auslöser: Bebt die Erde, verändert sich der Meeresspiegel oder lösen sich Gashydrate im Meeresboden auf, kann dies dazu führen, dass ein bis dahin stabiler Hang abrutscht. Wie wichtig sind die einzelnen Faktoren? Welche Hänge sind gefährdet? Wie groß sind die Auswirkungen? Dies sind Fragen, die die Modelle beantworten helfen. Obwohl schon große Fortschritte gemacht worden sind, muss noch viel an den Modellen gearbeitet werden. Das Ziel ist es, vorhersagen zu können, wann ein untermeerischer Hang abrutscht.

(Katrin Huhn, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder; Text: Kirsten Achenbach, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder, 10.08.2004 – NPO)

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