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Astronomie

Jupiter-Wanderung schuld an kleinem Mars?

Wanderung der Gasriesen könnte Marsgröße und Zusammensetzung des Asteroidengürtels erklären

Erde, Mars, Jupiter und Saturn im Größenvergleich © NASA

Der Gasriese Jupiter könnte schuld an der relativ geringen Größe des Mars sein: Ein jetzt in „Nature“ veröffentlichtes Modell zeigt, dass der Jupiter in der Frühzeit des Sonnensystems bis in das innere Sonnensystem gewandert sein könnte und dabei das „Baumaterial“ für den jungen Mars an sich zog oder verdrängte. Erst als der Saturn ebenfalls innen ankam, führte die Wechselwirkung beider Gasplaneten zu ihrer Rückkehr nach außen. Dieses Verhalten könnte nicht nur die Marsgröße und die heutige Zusammensetzung des Asteroidengürtels erklären, es entspricht auch dem vieler extrasolarer Gasriesen.

Warum ist der Mars nur rund halb so groß und ein Zehntel so schwer wie die Erde? Diese Frage beschäftigt Planetenforscher schon seit langem. Denn als Nachbar der Erde und innerer Planet des Sonnensystems entstand er aus dem gleichen Bereich der Urwolke und müsste eigentlich Erde und Venus ähnlicher sein. Jetzt hat ein internationales Forscherteam die Bildungsperiode der Planeten erneut modelliert und dabei einen Faktor berücksichtigt, der inzwischen bei vielen extrasolaren Planetensystemen beobachtet worden ist: Große Gasplaneten bleiben oft nicht am Ort ihrer Entstehung, sondern verändern ihre Umlaufbahn und damit den Abstand zum Zentralstern in ihrer „Jugend“.

Jupiter erzeugte Mangel an „Baumaterial“ für Mars

Die Wissenschaftler unter Leitung von Kevin Walsh vom Southwest Research Institute entwickelten ein Modell des frühen Sonnensystems und simulierten darin die Planetenbildung und Wanderungsbewegungen. Dabei zeigt sich, dass die Wechselwirkung von Jupiter und Saturn, die heute beide in ihren Bahnen hält, in den ersten zehntausend Jahren nach Planetenentstehung noch nicht ausgebildet war. Damals, als Saturn gerade erst 30 Erdmassen groß war, kann Jupiter von seinem Entstehungsort rund 3-5 astronomische Einheiten (AU) von der Sonne entfernt, bis auf einen Abstand von nur noch 1,5 AU ins innere Sonnensystem gedriftet sein.

Die Präsenz des Gasriesen knapp außerhalb der heutigen Erdumlaufbahn muss, so zeigt das Modell, die dort umherfliegenden Gesteinsbrocken ausgedünnt haben. Damit nahm dort die Menge der Bausteine ab, aus der die inneren Gesteinsplaneten – und vor allem der in dieser Region gebildete Mars – entstanden. Während der in rund einer astronomischen Einheit und damit weiter innen kreisenden jungen Erde noch ausreichend Material zur Verfügung stand, hatte der Mars „Rohstoffmangel“. Für ihn stand nur noch Material für eine deutlich geringere Größe zur Verfügung.

Wechselwirkung mit Saturn löste Rückwanderung aus

Dem Modell nach blieb der Jupiter einige zehntausend Jahre im inneren Bereich des Sonnensystems. Erst als der Saturn an Masse gewann und dabei ebenfalls nach innen wanderte, gerieten beiden Gasriesen in eine Wechselwirkung, die letztlich beide nach außen und an ihre heutigen Positionen brachte. „Wenn sich der Jupiter von seinem Geburtsort einwärts bis auf rund 1,5 astronomische Einheiten Abstand zur Sonne bewegt hat, und erst bei Bildung des Saturn umgekehrt ist und allmählich an seinen heutigen Ort wanderte, dann könnte dies die Verteilung von fester Materie im Inneren Sonnensystem gestört haben“, erklärt Kevin Walsh, Planetenforscher am Southwest Research Institute. „Das würde erklären, warum der Mars so klein ist.“

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Jupiter, Saturn und die inneren Planeten auf ihren heutigen Bahnen (nicht maßstabsgerecht). Vermutlich wanderten die beiden Gasplaneten in der Frühzeit des Sonnensystems erst nach innen, dann wieder nach außen. © NASA

Bisher allerdings galt genau dieses Szenario als unwahrscheinlich, weil dabei der Asteroidengürtel zwischen Jupiter und Mars nicht hätte erhalten bleiben dürfen. Die Passage des Gasriesen müsste den dichten Ring aus Gesteinsbrocken zerstört haben. Doch als die Forscher auch den Asteroidengürtel in ihre Simulationen einbezogen, zeigte sich ein ganz anderes Bild: „Das Resultat war fantastisch“, so Walsh. „Unsere Simulationen zeigten nicht nur, dass die Migration des Jupiter mit der Existenz des Asteroidengürtels vereinbar war, sie erklärten auch Eigenschaften des Gürtels, die bisher nie verstanden worden sind.“

Jupiter-Wanderung erklärt heterogene Zusammensetzung des Asteroidengürtels

Denn der Asteroidengürtel enthält zwei Sorten von Objekten: einerseits trockene Gesteinsbrocken, die als Relikte der „Planetenbausteine“ im inneren Sonnensystem gelten und andererseits wasserreiche Eis-Stein-Klumpen, die in ihrer Zusammensetzung eher Kometen aus dem äußeren Sonnensystem ähneln. Walsh und seine Kollegen zeigen nun in ihrem Modell, dass genau diese Mischung durch die Wanderung des Jupiter entstanden sein muss: Bei seiner ersten Passage schob der Gasriese einen Großteil der ursprünglich im Asteroidengürtel kreisenden steinigen Brocken vor sich her und löste damit eine Dichteerhöhung der Materiewolke auf Höhe der Protoerde und weiter innen aus. Möglicherweise gab sie erst den Impuls zur Bildung der inneren Gesteinsplaneten im Sonnensystem.

Gleichzeitig jedoch brachte Jupiter zahlreiche eisige Brocken aus dem äußeren Sonnensystem mit sich, die sich auf Höhe des heutigen Asteroidengürtels ansiedelten. Bei seiner gemeinsam mit dem Saturn erfolgenden Rückwanderung wird erneut ein Teil des Gesteinsmaterials zerstreut. Im äußeren Sonnensystem angekommen, stören Jupiter und Saturn dort die Bahnen weiterer Gesteinsbrocken und lenken sie so in Richtung Asteroidengürtel.

Verhalten Exoplaneten-ähnlicher als gedacht?

„Unsere Ergebnisse repräsentieren einen bedeutenden Umbruch im Verständnis der frühen Entwicklung unseres Sonnensystems“, schreiben Walsh und seine Kollegen. „Der Schlüsselaspekt, der vorherigen Modellen der Planetenbildung fehlte ist die substantielle radiale Migration der Gasplaneten. Das deutet darauf hin, dass ihr Verhalten dem für extrasolare Planeten angenommenen weitaus ähnlicher ist als bisher gedacht.“

Das neue Modell könnte das Ergebnis einer erst Ende Mai ebenfalls in „Nature“ veröffentlichten Studie amerikanischer Autoren ergänzen. Diese hatten festgestellt, dass der Mars sich extrem schnell durch Akkretion entwickelte, dann aber quasi als Planetenembryo in der Entwicklung stecken blieb und nicht, wie die Erde, von der Kollision mit größeren Gesteinsbrocken profitieren konnte. (Nature, 2011; DOI: 10.1038/nature10113)

(Southwest Research Institute, 07.06.2011 – NPO)

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