Fast alle Bakterien verdanken ihre Struktur einer äußeren Zellwand, die eng mit einem Stützprotein im Zellinneren zusammenwirkt. Dabei jedoch ist die Zellwand, und nicht das Protein die treibende und strukurbildende Kraft, wie Forscher jetzt in „Science“ berichten. Die Kenntnis dieser in Bakterien offenbar weitverbreiteten Interaktion könnte auch neue Therapiewege eröffnen.
Auch Zellen müssen ihre Form wahren: Dafür sorgen in höheren Organismen die stützenden Strukturen des Zytoskeletts mit Bestandteilen wie dem Aktin-Protein. In den viel kleineren Bakterien finden sich ähnliche Strukturen, darunter das dem Aktin verwandte Protein MreB. Bislang glaubten Wissenschaftler, dieses Molekül bilde spiralförmige Strukturen entlang der Innenseite der Zellmembran aus, die als Gerüst für die vergleichsweise starre Zellwand dienen.
Mithilfe innovativer bildgebender Verfahren wie der Fluoreszenzmikroskopie konnten nun Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie um Roland Wedlich-Söldner und am französischen INRA nachweisen, dass MreB keine derart hoch geordneten Strukturen ausbildet – und doch sehr viel komplexer vernetzt ist, als sie bisher angenommen hatten. „MreB-Moleküle schließen sich zu größeren Einheiten, den ‚Patches’, zusammen. Diese bewegen sich kreisförmig an der Innenseite der Zellmembran, ohne aber einer festen Richtung zu folgen“, erklärt Julia Domínguez-Escobar, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Biochemie.
Ohne Zellwand keine Bewegung
Unerwartet war vor allem die Erkenntnis, dass die Bewegung des Stützproteins auf eine funktionierende Zellwand angewiesen ist. Denn die MreB-Strukturen bewegen sich nicht eigenständig, sondern werden im Zuge der Neubildung von Zellwandmaterial entlang der bakteriellen Hülle „mitgezogen“. Die MreB-Patches befinden sich an der Innenseite, die Zellwand dagegen an der Außenseite der Zellmembran. Die Interaktion erfolgt daher vermutlich über Moleküle, welche die Zellmembran durchspannen. Diese molekularen Verbindungsstücke koppeln den Einbau des neu gebildeten Zellwandmaterials mit den MreB-Strukturen, die somit in ihrer Bewegung den ständig wachsenden Zellwandstrukturen folgen.
Viele Bestandteile der Zellwand sind in Bakterien fast universell vertreten, sodass der neu entdeckte Mechanismus wohl ebenfalls weit verbreitet ist. Die Ergebnisse könnten somit für die weitere Erforschung von bakteriellen Zellen, aber auch für die Medizin eine wichtige Rolle spielen: „Schon jetzt ist die Zellwandsynthese ein zentraler Angriffspunkt für Antibiotika. Neue Einblicke in den Aufbau der Zellwand könnten dringend benötigte therapeutische Alternativen eröffnen“, hofft Wedlich-Söldner. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1203466)
(Max-Planck-Gesellschaft, 06.06.2011 – NPO)