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Medizin

EHEC: Die Suche geht weiter

Schnelltest erleichtert Suche nach Seuchenquelle und Diagnose betroffener Patienten

Mikroskopaufnahme von zwei E.coli-Bakterien des EHEC-Typs © BfR

Die Suche nach der Quelle der EHEC-Keime geht weiter, nachdem die spanischen Gurken doch nicht die Ursache der Epidemie sind. Ein neuer Schnelltest bietet jetzt die Möglichkeit, den Erregerstamm sowohl am Gemüse als auch bei betroffenen Patienten in wenigen Stunden zu identifizieren. Inzwischen gibt es 15 Todesfälle in Deutschland und vor allem in Norddeutschland weiterhin Neuinfektionen mit dem Darmkeim.

Die Suche beginnt von neuem: die letzte Woche als vermutliche Quelle der EHEC-Epidemie identifizierten spanischen Gurken waren zwar von EHEC-Keimen befallen, nicht jedoch von dem Erregerstamm, der die derzeitige Erkrankungswelle auslöst. Medizinern um Professor Helge Karch am Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster (UKM) war es am 25. Mai bereits gelungen, den genauen Erregertyp des aktuellen Ausbruchs exakt als HUSEC041 (O104:H4; Sequenztyp ST678) zu identifizieren. Dieser EHEC-Stamm hat sich laut Karch aus einer 2001 schon einmal beobachteten Variante entwickelt und seither an Resistenzen gegenüber Antibiotika hinzugewonnen. Zudem sei er zwei bis dreimal giftiger als der Ursprungsstamm.

Vier Gene als Erkennungsmerkmal

Ein jetzt von Karch und seinem Team am Konsiliarlabor für das Hämolytisch– Urämische Syndrom (HUS) entwickelter Schnelltest könnte nun entscheidend dazu beitragen, die noch immer unklare Quelle der Kontamination ausfindig zu machen. Bei dem Test handelt es sich um eine so genannte Multiplex-PCR, bei der spezifische Gene des Ausbruchsstammes vervielfältigt und somit nachgewiesen werden können. Mit Hilfe dieses molekularbiologischen Verfahrens ist es möglich, schon kleinste Mengen von EHEC-Erregern innerhalb weniger Stunden auf die speziellen Eigenschaften des Ausbruchsstammes zu untersuchen. Konkret geht es um vier Gene, die in ihrer Kombination für HUSEC041 einzigartig sind. Bei den vier Genen handelt es sich um die für die O104- und H4-Antigene, für das Shiga Toxin 2 sowie für die Schwermetallresistenz kodierenden Gene.

„Mit dem Test kann der Nachweis erbracht werden, ob eine Person mit dem aktuellen EHEC-Erreger infiziert ist“, erklärt Karch. „Dabei wird in den Proben nach vier Genen gesucht, die in ihrer Kombination so nur bei dem aktuellen Ausbruchsstamm HUSEC041 (O104:H4) auftreten. Sind alle vier Gene vorhanden, ist eine Infektion hiermit nachgewiesen. Sind diese Gene nicht vorhanden, kann eine Infektion mit dem Erregerstamm des aktuellen Ausbruchs schnell ausgeschlossen werden.“

Die Tests können in jedem, entsprechend ausgestatteten molekularbiologischem Labor durchgeführt werden. Für die Patientenversorgung in den Kliniken ist die schnelle Bestätigung oder auch der Ausschluss einer Infektion mit HUSEC041 von enormer Bedeutung. So besteht schnell absolute Gewissheit für die behandelnden Mediziner und die betroffenen Personen und ihre Angehörigen. „Der Test soll keineswegs die bisherige Diagnostik und die klinische Einschätzung der behandelnden Mediziner ersetzen“, so Karch. „Er liefert aber die schnelle Bestätigung oder den Ausschluss einer Infektion mit dem aktuellen Ausbruchserreger HUSEC041.“

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Charakteristische Marker im EHEC-Schnelltest © Universitätklinikum Münster / Karch

Erreger-Nachweis innerhalb weniger Stunden

„In den vergangenen Tagen kamen auch zahlreiche Menschen mit Durchfall in das Universitätsklinikum Münster, die nicht an einer EHEC-Infektion litten“, so Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM. „Nun können wir schnell Klarheit schaffen: Sollte der Test negativ ausfallen, können die verständlichen und großen Ängste rasch ausgeräumt werden und zudem Kapazitäten in den Kliniken besser für die bestätigten Fälle vorgehalten werden. Ist der Test positiv, herrscht deutlich schneller als bisher absolute Klarheit für die behandelnden Ärzte.“

Derzeit führen die Forscher auch eine Gesamtgenomsequenzierung durch. Diese Ergebnisse sollen Ende der Woche vorliegen. Davon erhofft sich Karch auch wertvolle Hinweise darauf, warum sich der Erreger so schnell und so aggressiv verbreitet: „Dieser Stamm kann als Chimäre bezeichnet werden, da er genetische Eigenschaften unterschiedlicher Erreger vereint. Die exakten Gründe dafür müssen wir nun aufklären.“

Weiter Warnung vor Gurken, Tomaten, Salat

Die Erregerbestimmung bei verdächtigen Isolaten aus Lebensmitteln oder Umweltproben wird mit dem Schnelltest erleichtert und beschleunigt. „Mit dem Test steht auch ein wichtiges Werkzeug zur Verfügung, um mögliche Infektionsquellen zu finden. Denn natürlich können mit dem Testverfahren nicht nur Proben von Menschen untersucht werden, sondern z.B. auch Isolate aus Lebensmitteln“, so Karch.

Solange die Quelle der anhaltenden Infektionen nicht zweifelsfrei ermittelt und geschlossen ist, ruft das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) alle Verbraucherinnen und Verbraucher zur Vorsicht auf. Noch sei unklar, an welcher Stelle in der Lebensmittelkette die Belastung mit Keimen erfolgt ist – in Deutschland, auf dem Transportweg, bei der Verpackung oder auch im Ausland. Derzeit kann das BfR nicht sicher auszuschließen, dass über die drei genannten Gemüsearten hinaus noch weitere Lebensmittel ursächlich für die Erkrankung sein könnten.

(Universitätsklinikum Münster, BfR, 01.06.2011 – NPO)

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