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Astronomie

Saturn: Super-Sturm erzeugt „Leuchtfeuer“

Erster kombinierter Infrarotblick von Cassini und VLT enthüllt einzigartige atmosphärische Details

Saturn im sichtbaren Licht, die Troposphäre im Infrarot und die Straosphäre im Infrarot. In letzterer ist eine warme Stelle als leuchtender Fleck zu erkennen. © ESO/ Fletcher

Es geschieht nur alle 30 Jahre – aber diesmal sitzen die Planetenforscher „in der ersten Reihe“: Auf dem Saturn tobt seit sieben Jahren ein gigantischer Sturm, der die gesamte Atmosphäre des Ringplaneten in Aufruhr bringt. Mit Hilfe der Saturnsonde Cassini und Beobachtungen von der Erde aus haben Forscher jetzt einzigartige Einblicke in die dramatischen Vorgänge gewonnen. Wie sie in „Science“ berichten, entdeckten sie dabei auch rätselhafte Temperaturschwankungen in der Stratosphäre des Planeten, die im Infrarot als „Leuchtfeuer“ erscheinen.

In der Atmosphäre des Planeten Saturn geht es normalerweise recht ruhig zu. Doch etwa alle 30 irdischen Jahre – einmal pro Saturnjahr – gerät die Saturnatmosphäre in Aufruhr: In den unteren Wolkenschichten des Planeten entsteht eine Störung, die so stark wird, dass sie den gesamten Planeten beeinflusst. Das Phänomen tritt nur in der nördlichen Hemisphäre auf, wo zurzeit Frühling herrscht. Der jüngste derartige Sturm konnte zuerst von einem Radiowellendetektor auf der Raumsonde Cassini nachgewiesen werden, die sich seit 2004 in einer Umlaufbahn um den Saturn befindet.

Jetzt hat ein internationales Astronomenteam den Sturm gleichzeitig mit der Infrarotkamera VISIR am Very Large Telescope (VLT) der ESO und dem „Composite Infrared Spectrometer“ (CIRS) an Bord von Cassini genauestens untersucht. Die gigantische Turbulenz ist bereits die sechste dieser Art, die seit 1876 beobachtet wurde. Allerdings waren die Beobachtungsmöglichkeiten nie zuvor so günstig wie jetzt:

Ausbruch hell leuchtenden Wolkenmaterials

„Die Störung hat auf der Nordhalbkugel des Saturn einen riesengroßen, heftigen und komplexen Ausbruch von hell leuchtendem Wolkenmaterial erzeugt, das sich inzwischen so weit verteilt hat, dass es den gesamten Planeten umringt”, erklärt Leigh Fletcher von der Universität Oxford. „Wir hatten die großartige Gelegenheit, den Sturm gleichzeitig mit dem VLT und mit Cassini beobachten zu können. Alle früheren Untersuchungen solcher Stürme haben ausschließlich sichtbares Licht erfasst, nämlich das vom Saturn reflektierte Sonnenlicht. Mithilfe der Wärmestrahlung konnten wir diesmal viel tiefer in die Atmosphäre schauen und die gravierenden Temperaturänderungen und Windgeschwindigkeiten des Sturms messen.”

Warme Gasmassen drängen in die Höhe

Der Sturm entsteht vermutlich in tief liegenden Wolkenschichten aus Wasserdampf. Ähnlich wie bei einem herkömmlichen Gewitter entsteht dort eine starke Luftströmung: So, wie in einem geheizten Raum die warme Luft nach oben steigt, drängen hier wärmere Gasmassen aus tiefer liegenden Schichten der Atmosphäre des Saturns nach oben und durchdringen dabei die sonst ruhigen äußeren Atmosphärenschichten. Die gewaltigen Störungen treten mit den dort herrschenden ostwärts und westwärts gerichteten Windströmungen in Wechselwirkung und führen zu merklichen Temperaturänderungen in den oberen Schichten.

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„Unsere Beobachtungen haben gezeigt, dass der Sturm einen deutlich nachweisbaren Einfluss auf die gesamte Saturnatmosphäre hat. Energie wird freigesetzt und zusammen mit den Gasmassen über große Strecken transportiert. Dabei werden die normalerweise vorherrschenden Windströmungen verändert und es entstehen sich windende Jetstreams und riesengroße Wirbel. Dadurch wird auch die jahreszeitliche Entwicklung der Saturnatmosphäre gestört”, ergänzt Glenn Orton vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena in den USA, ein weiteres Mitglied des Teams.

„Leuchtfeuer“ in der Stratosphäre

Die neuen Bilddaten des VLT-Instruments VISIR zeigen einige unerwartete Erscheinungen, darunter Phänomene, welche die Wissenschaftler auf den Namen „stratosphärische Leuchtfeuer“ getauft haben. Dabei handelt es sich um starke Temperaturschwankungen hoch in der Stratosphäre Saturns, die sich etwa 250 bis 300 Kilometer über der Wolkendecke der unteren Atmosphärenschichten befinden und damit zeigen, bis in welch große Höhe die Auswirkungen des Sturms reichen. Die Temperatur in der Stratosphäre Saturns beträgt zu dieser Jahreszeit normalerweise etwa -130°C; die Leuchtfeuer dagegen sind 15 bis 20 Grad wärmer.

Im sichtbaren Licht komplett unsichtbar, strahlen die Leuchtfeuer für VISIR im mittleren Infrarot stärker sein als die gesamte restliche Abstrahlung des Planeten. Da sie noch nie zuvor beobachtet werden konnten, sind sich die Planetologen nicht sicher, ob die Leuchtfeuer regelmäßig bei solchen Stürmen auftreten. „Natürlich setzen wir unsere Beobachtungen dieses für unsere Generation wahrscheinlich einmaligen Ereignisses derzeit fort”, erklärt Fletcher. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1204774)

(ESO, 20.05.2011 – NPO)

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