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Umwelt

Auch Klettern kann der Vegetation schaden

Vermeintlich umweltbewusste Sportart beeinträchtigt Vielfalt und Häufigkeit von seltenen Bergpflanzen

Kletterer an der Eulenwand in der Fränkischen Schweiz © Georg Dembowski Schoschi / CC-by-sa 3.0

Kletterer gelten als naturverbunden und umweltbewusst. Doch ganz unproblematisch ist die Ausübung ihrer Sportart nicht, wie jetzt deutsche Forscher nachgewiesen haben. Denn viele Klettergebieten der deutschen Mittelgebirge sind ein Refugium für seltene Pflanzen, für die das Klettern negative Folgen hat. Ihre Häufigkeit und genetische Vielfalt nimmt durch die häufigen „Besuche“ ab, so die Wissenschaftler im „Journal of Applied Ecology“.

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Weltweit nimmt die Begeisterung für das Klettern beständig zu. In direktem Kontakt mit der Natur, mit ihrem Körper häufig an den eigenen Leistungsgrenzen und ständig auf der Suche nach einem wunderschönen Bergpanorama werden Kletterer gemeinhin als Prototyp für den umweltbewussten Menschen angesehen. Ganz unproblematisch ist die Ausübung ihrer Sportart jedoch nicht, wie jetzt Forscher der Universität Regensburg nachgewiesen haben. Sie untersuchten Klettergebiete im nördlichen Franken-Jura und der Schwäbische Alb, die beide zu den bedeutendsten Kletter-Regionen Deutschlands zählen.

Beide Gebirge gehören zu den Hauptverbreitungsgebieten des seltenen gelben Hungerblümchens (Draba aozides), das auch als „Immergrünes Felsenblümchen“ bekannt ist und auf Kalksteinfelsen wächst. Um herauszufinden, ob das Klettern einen Einfluss auf die Verbreitung und die genetische Struktur der seltenen Pflanze hat, verglichen die Regensburger Biologen Reisch und Vogler die Pflanzenpopulationen auf insgesamt 16 Felsen, von denen acht beklettert werden, während die anderen acht bislang davon unberührt geblieben sind.

Das seltene „Gelbe Hungerblümchen“ (Draba aozides) © Universität Regensburg

Klettern verringert Größe, Häufigkeit und genetische Vielfalt von Pflanzen

Die Forscher fanden heraus, dass sich die Pflanzenpopulationen auf den beiden Felstypen deutlich voneinander unterscheiden. So sind die Pflanzen auf den Kletterfelsen kleiner und weniger zahlreich als ihre Artgenossen auf den nicht bekletterten Felsen. Darüber hinaus konnten die Regensburger Forscher auch Auswirkungen des Kletterns auf die genetische Struktur der Populationen feststellen, denn die genetischen Unterschiede zwischen der oberen und der unteren Hälfte der Populationen waren auf den bekletterten Felsen signifikant niedriger. „Eine Veränderung, die auf die Ausbreitung von Samen und Pflanzenteilen durch Klettern zurückzuführen ist“, meint Reisch.

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„Die mechanischen Belastungen durch das Klettern führen zu Veränderungen der Populationsstruktur“, erklärt Reisch. Zwar fördern Bergsteiger durch ihre Auf- und Abstiege die Verteilung der Pflanzensamen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die von den Forschern beobachteten genetischen Veränderungen langfristig die Fähigkeit der Pflanzen, in ihrer ursprünglichen Umgebung zu überleben, beeinträchtigen könnten.

Felsige Mittelgebirgsregionen als wertvolles Refugium

Aufgrund ihrer relativen Unzugänglichkeit gehören die Felsmassive vor allem der Mittelgebirge zu den wenigen Ökosystemen, die in den letzten Jahrhunderten nur bedingt durch den Menschen in ihrer Entwicklung gestört wurden. Sie beheimaten zumeist eine große Bandbreite seltener und gefährdeter Pflanzenarten. „In Gebieten, die bei Kletterern besonders beliebt sind, ist es deshalb dringend erforderlich, unberührte Felsen zu erhalten, auf denen sich die einzelnen Pflanzenarten ohne äußere Einflüsse entwickeln können“, meint Reisch. (Journal of Applied Ecology, 2011; DOI: 10.1111/j.1365-2664.2011.01992.x)

(Universität Regensburg, 16.05.2011 – NPO)

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