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Physik

Erste elektrische Falle für Elektronen

Prinzip der Paul-Falle erstmals auf Elektronen angewendet

Leiterelektroden mit Elektronenquelle im Hintergrund; die weißen Linien dazwischen sind das darunterliegende Substrat. Die Elektronen werden durch ein winziges Loch im Zentrum der Quelle, welches einen Durchmesser von 20µm hat und auf dem Bild nicht zu erkennen ist, emittiert. Sie werden anschließend in einer Höhe von einem halben Millimeter über den Elektroden geführt und entlang der gebogenen Elektrodenstruktur im Vordergrund nach links abgelenkt. © Hommelhoff

Bisher ließen sich Elektronen nur durch eine Kombination von magnetischen und elektrischen Feldern lenken und einfangen. Jetzt haben Physiker erstmals eine Elektronenfalle entwickelt, die rein elektrische Wechselfelder zur Kontrolle der Elementarteilchen nutzt. Wie Lichtwellen in einer Glasfaser führen Elektroden auf einem Chip die Elektronen. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlichte Technik verspricht ein breites Anwendungspotential, von der Durchführung fundamentaler Quantenexperimente bis hin zur nichtinvasiven Elektronenmikroskopie.

Die Untersuchung der Eigenschaften von Elektronen spielt eine Schlüsselrolle für das Verständnis der Naturgesetze. Die extrem leichten und flinken Teilchen sind aber nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Entsprechende Messungen werden bisher vor allem in sogenannten Penning-Fallen durchgeführt, bei denen eine Kombination von elektrischen und magnetischen Feldern die Elektronen in geordnete Bahnen zu lenken vermag. Für eine Reihe von Experimenten wäre es jedoch vorteilhafter, auf den Einsatz magnetischer Felder zu verzichten und die Elektronen mit rein elektrischen Wechselfeldern zu führen.

Elektrische Falle für Elektronen gesucht

Für elektrisch geladene Atome (Ionen) gibt es solche rein elektrischen Fallen bereits. Diese sogenannten Paul-Fallen basieren auf mikrostrukturierten Elektroden auf flachen Substraten, an denen eine elektrische Wechselspannung anliegt, die mit Radiofrequenzen schwingt. Dabei eine rückstellende Kraft, welche die Teilchen im Zentrum der Falle festhält. Jetzt ist es der Forschungsgruppe „Ultraschnelle Quantenoptik“ um Peter Hommelhoff am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München erstmals gelungen, diese Technik auch auf Elektronen anzuwenden.

Dabei musste das Problem überwunden werden, dass Elektronen ungefähr 10.000mal leichter als Ionen sind und damit viel schneller auf elektrische Felder reagieren als die vergleichsweise schweren und trägen Ionen. Die Frequenz, mit der die Spannung an den Elektroden umgepolt wird, muss daher für das Fangen von Elektronen viel größer als beim Einschluss von Ionen sein und liegt im Mikrowellenbereich bei einigen Gigahertz.

…und gefunden

In ihrem Experiment verwenden die Garchinger Physiker Elektronen aus einer thermischen Elektronenquelle, bei der ein Wolframdraht wie in einer Glühbirne geheizt wird und die austretenden Elektronen zu einem parallelen Strahl mit einer Energie von einigen Elektronenvolt gebündelt werden. Von dort werden die Elektronen in den „Wellenleiter“ eingekoppelt. Das ist eine Struktur aus fünf auf einem flachen Substrat gefertigten, parallel verlaufenden Elektroden, an denen eine Wechselspannung mit einer Frequenz von etwa einem Gigahertz anliegt.

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In einer Entfernung von einem halben Millimeter über den Elektroden entsteht dadurch ein oszillierendes Quadrupolfeld, das Elektronen im Zentrum des Feldes in radialer Richtung, also quer zu den Elektroden, einschließt. In longitudinaler Richtung, parallel zu den Elektroden, wirkt dagegen keine Kraft auf die Teilchen, so dass sich diese frei entlang des „Leiters“ bewegen können. Insgesamt werden die Elektronen dadurch gezwungen, dem Verlauf der Elektroden auf dem Substrat zu folgen. Der Einschluss in radialer Richtung ist dabei außerordentlich stark, so dass die Elektronen selbst kleinräumigen Richtungsänderungen folgen.

(b) Die geführten Elektronen liefern als Detektorsignal einen hellen runden Fleck am Ausgang des Elektronenleiters (mit einem Kreis markiert). (c) Bei abgeschalteter Mikrowellenanregung landen die Elektronen auf der rechten Detektorseite, wo ein schwächeres und augrund der Divergenz des Strahls etwas diffuseres Signal erscheint. © Hommelhoff

Am Ende der Struktur befindet sich ein Detektor zum Nachweis der austretenden Elektronen. Bei eingeschaltetem Wechselfeld erscheint auf dem Detektor deutlich ein hell leuchtender Fleck in der linken Bildhälfte, genau dort, wo sich der Ausgang des Leiters befindet. Wird das Feld abgeschaltet, laufen die Elektronen von der Quelle aus geradlinig weiter und in der rechten Bildhälfte ist dann ein aufgrund der Divergenz des Elektronenstrahls diffus erhelltes Gebiet sichtbar.

Stärkere Bündelung des Strahls nötig

„Uns ist mit diesem Grundlagenexperiment der Nachweis gelungen, dass Elektronen mit rein elektrischen Feldern geführt werden können“, meint Hommelhoff. „Allerdings liefert die derzeit verwendete Elektronenquelle nur einen schlecht gebündelten Strahl, weshalb Elektronen verloren gehen.“ In Zukunft wollen die Wissenschaftler deshalb den neuartigen Wellenleiter mit einer Elektronenquelle kombinieren, die auf der Feldemission von atomar scharfen Metallspitzen beruht. Hier gelingt es bereits, den Elektronenstrahl so scharf zu bündeln, dass seine transversale Komponente nur durch die Heisenbergsche Unschärferelation begrenzt ist.

Damit ließen sich unter Umständen gezielt einzelne quantenmechanische Schwingungszustände der Elektronen im radialen Potential des Leiters bevölkern. „Der jetzt demonstrierte starke Einschluss der Elektronen bedeutet auch, dass ein „Quantensprung“ von einem Schwingungszustand in den

nächsthöheren eine große Energieänderung erfordern würde und damit relativ unwahrscheinlich wäre“, erklärt Johannes Hoffrogge, Doktorand am Experiment.

„Ein einmal präparierter Quantenzustand bliebe dadurch lange stabil erhalten und kann gut für Experimente genutzt werden“. Unter diesen Bedingungen ließen sich Quantenexperimente durchführen, beispielsweise Elektroneninterferometrie mit geführten Elektronen: hier wird die Wellenfunktion eines Elektrons erst gespalten und dann wieder zusammengeführt, so dass charakteristische Überlagerungen aus mehreren Quantenzuständen eines Elektrons erzeugt werden.

Aber es sind auch praktische Anwendungen denkbar, etwa eine neue Art der Elektronenmikroskopie. (Phys. Rev. Lett., Online-Ausgabe, 9. Mai 2011)

(Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 11.05.2011 – NPO)

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