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Technik

Intelligente Vorhänge schlucken Lärm

Neue leichte, lichtdurchlässige Vorhangstoffe absorbieren fünfmal mehr Schall als herkömmliche Produkte

Für die akustischen Tests werden die neuen schallabsorbierenden Vorhänge in einem typischen Sitzungszimmer in der Empa in St.Gallen aufgehängt. © Empa

Schweizer Forscher haben leichte, lichtdurchlässige Vorhangstoffe entwickelt, die fünfmal mehr Schall absorbieren als herkömmliche Produkte. Seit kurzem sind die neuen Lärm schluckenden Vorhänge nun auf dem Markt und könnten künftig in Büros, Sitzungszimmern, Restaurants oder Hotellobbys zum Einsatz konmmen.

Lärm nervt. Er stört die Kommunikation, vermindert die Arbeitsleistung und macht müde – in Extremfällen gar krank. In Räumen, in denen Menschen arbeiten, miteinander reden oder sich erholen wollen, sind deshalb schallabsorbierende Flächen notwendig. Sie verkürzen den Nachhall und machen die Räume dadurch ruhiger.

Neues Gewebe entwickelt

So genannte schallharte Materialien wie Glas und Beton, die häufig in der Innenarchitektur verwendet werden, absorbieren Schall allerdings kaum. Häufig als Schallabsorber eingesetzt werden daher schwere Vorhänge, etwa aus Samt. Leichte und transparente Vorhänge sind dagegen akustisch praktisch wirkungslos. Zumindest waren sie das bislang.

Gemeinsam mit einem Industriepartner und einer Textildesignerin haben Forscher der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) jetzt ein neues Gewebe für leichte und trotzdem schallabsorbierende Vorhänge entwickelt.

Messungen der Schallabsorption im Hallraum der Empa: Bei einem Abstand von 15 Zentimeter zwischen Vorhang und Wand schluckt der neue Vorhang – je nach Frequenz – bis zu fünfmal mehr Schall als herkömmliche Leichtvorhänge. © Empa

Neuer Vorhang als Schallabsorber

„Akustiker staunen nicht schlecht, wenn sie die entsprechenden Kennwerte sehen, die wir mit den neuen Vorhängen bei Messungen im Hallraum erreicht haben. Der bewertete Schallabsorptionsgrad liegt zwischen 0,5 und 0,6“, sagt Kurt Eggenschwiler, Leiter der Empa-Abteilung Akustik/Lärmminderung.

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Sprich: Die neuen Textilien „schlucken“ fünfmal mehr Schall als herkömmliche lichtdurchlässige Vorhänge. Eggenschwiler: „Der neue Vorhang ist ein echter Schallabsorber, der die Raumakustik merklich verbessert, – und erst noch von hoher gestalterischer Qualität.“

Eine echte Marktlücke

Ein weiterer Vorteil: Da die neuen Vorhänge lichtdurchlässig sind, lassen sie sich nach Angaben der Wissenschaftler vielseitig einsetzen, etwa in Büros, Sitzungszimmern, Restaurants, Hotellobbys, Seminarräumen bis hin zum Mehrzwecksaal. Oft leisten sie den entscheidenden Beitrag, um die für diese Räume geltenden akustischen Anforderungen und Richtlinien zu erfüllen. Dass die neuen Textilien eine Marktlücke schließen, zeigt sich bereits kurz nach Markteinführung; das Interesse sei „enorm“, so Eggenschwiler.

„Rezept“ für Schall schluckendes Gewebe gesucht

Die Idee eines Lärm schluckenden und gleichzeitig leichten, lichtdurchlässigen Vorhangs stammt von der Textildesignerin Annette Douglas, die sich schon seit längerem mit der Wechselwirkung zwischen Schall und Textilien beschäftigt. Zusammen mit den Empa-Forschern und der der Seidenweberei Weisbrod Zürrer reichte sie 2010 ein entsprechendes Projekt bei der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ein. Keine leichte Aufgabe, denn dünne und damit lichtdurchlässige Gewebe sind normalerweise miserable Schallschlucker.

Das erste akustisch optimierte Leichttextil entstand deshalb am Computer. Dank dessen Eigenschaften wollten die Empa-Akustiker den Textilfachleuten eine Art „Rezept“ vorgeben, mit dem sich gezielt ein Schall schluckendes Gewebe herstellen lassen sollte. Dazu entwickelten sie zunächst ein Rechenmodell, das sowohl die mikroskopische Struktur der Gewebe als auch deren makroskopischen Aufbau abbildet.

Gewebe Schritt für Schritt akustisch optimiert

In Kombination mit unzähligen akustischen Messungen an verschiedenen, eigens von Weisbrod-Zürrer gewobenen Proben konnten sie das Gewebe Schritt für Schritt akustisch optimieren. Douglas gelang es dann, die neuen Erkenntnisse webtechnisch zu übersetzen. Sie wählte die Garne aus, die den Stoffen die notwendigen Eigenschaften hinsichtlich Brennbarkeit und Lichtdurchlässigkeit verliehen, und bestimmte die Gewebekonstruktion, das heißt wie die Fäden ineinander verwoben werden sollten.

Seidenweberei konnte schließlich die anspruchsvollen Herstellungsprozesse so anpassen, dass die industriell gefertigten Vorhänge tatsächlich die gewünschten akustischen Eigenschaften aufwiesen.

(Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, 04.05.2011 – DLO)

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